Religion und Politik
Wo stehen wir heute?
Ausgangspunkt: Freiheitlich demokratisches System
Die politische Kultur der Schweiz mit ihrer freiheitlichen, direkten Demokratie sowie das vorherrschende Wertesystem haben sich über Jahrhunderte entwickelt. Die hohe Lebensqualität in der Schweiz zeugt vom Erfolg dieses gewachsenen Systems. Es muss uns deshalb ein Anliegen sein, dieses System zu erhalten und mit Bedacht weiterzuentwickeln.
Wir leben in einer zunehmend multireligiösen Umwelt
Dabei ist zu beachten, dass wir zunehmend in einer multikulturellen und multireligiösen Umwelt leben. Viele Bürger unseres Landes sind in einem anderen kulturellen und religiösen Kontext aufgewachsen. Das kann für die Schweiz eine Bereicherung sein, bietet aber auch Herausforderungen.
Ein Beispiel aus der Praxis
Das unten stehende Beispiel lässt sich nicht 1:1 auf die Schweiz übertragen und soll auch nicht dazu dienen, Österreich oder den Islam vorzuführen, es zeigt aber auf, was geschehen kann.
Umfrage unter Koranschulen in Österreich
Rudolf Gruber, Wien, Der Bund, 29.01.2009
"Das Islamische Religionspädogische Institut an der Universität Wien hat 2007 eine Studie durchgeführt, die für Österreich völlig neu ist. Muhanad Khorchide*, der Leiter des Projekts und Autor der Studie, ist selbst Imam. Das Ergebnis der Umfrage bei rund der Hälfte der 400 Koranlehrer in Österreich – deren Namen nicht veröffentlicht werden – ist alarmierend. Knapp 23 Prozent nehmen eine «fanatische Haltung» gegenüber dem westlichen Rechtsstaat ein, wobei die Ablehnung mit zunehmendem Alter ansteigt. 22 Prozent lehnen die Demokratie gänzlich ab, weil sie mit dem Islam nicht vereinbar sei. Das heisst: Jeder fünfte Koranlehrer in Österreich ist gegen die Trennung von Staat und Religion. Von den Befragten lehnen 15 Prozent die österreichische Verfassung ab, weil sie im Widerspruch zum Islam stehe, und 28 Prozent sehen einen Widerspruch darin, gleichzeitig Muslim und Europäer zu sein. 27 Prozent lehnen auch die Menschenrechtscharta ab, weil sie mit dem Islam nicht vereinbar sei, und 44 Prozent trichtern ihren Schülern ein, dass sie ihren christlichen Schulkameraden überlegen seien. (...) Laut der neuen Studie weiss der Staat kaum, was tatsächlich im muslimischen Religionsunterricht gelehrt und gepredigt wird. Zudem haben 40 Prozent der islamischen Religionslehrer keine pädagogische Ausbildung – und sie können auch kein theologisches Studium vorweisen. Eine entsprechende Ausbildung gibt es in Österreich erst seit 1998."
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* Mouhanad Khorchide war zum Zeitpunkt der Studie als Universitätsassistent an der Forschungseinheit Islamische Religionspädagogik an der Universität Wien tätig. Die oben genannte Studie hat er im Rahmen seiner Dissertation durchgeführt ("Der islamische Religionsunterricht zwischen Integration und Parallelgesellschaft: Einstellungen der islamischen ReligionslehrerInnen an öffentlichen Schulen"). Die Publikation der Studie löste heftige Reaktionen in der Politik und bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft aus. Heute ist Mouhanad Khorchide als Professor für islamische Religionspädagogik am 'Centrum für Religiöse Studien' an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster tätig und hat u.a. das vielbeachtete Buch 'Islam ist Barmherzigkeit' publiziert.
Eine Politik der Kulturen und Religionen
Ziel: Friedliches Miteinander innerhalb eines klar definierten Rahmens
Unser Ziel muss ein friedliches Miteinander sein. Dies ist nur möglich, wenn es uns gelingt, alle Bewohner der Schweiz in unsere Gesellschaft einzubinden und eine gemeinsame Basis für das Zusammenleben zu schaffen. Eine solche Basis sind unsere zentralen Werte sowie das gewachsene, freiheitlich-demokratische politische System.
Regulativer und institutioneller Rahmen
Die Situation in verschiedenen Ländern dieser Erde zeigt, dass sich religiös-kulturelle Konflikte nur sehr schwer lösen lassen, wenn sie einmal offen ausgebrochen sind.
Die Politik soll deshalb einen regulativen und institutionellen Rahmen schaffen, in dem religiös bzw. kulturell motivierte Konflikte möglichst bereits im Vorfeld entschärft und bestehende Konflikte auf eine konstruktive Art gelöst werden können.
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Version vom 10. April 2023
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