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Theologische Ethik – Moraltheologie

Was ist unter einer theologischen Ethik oder Morallehre zu verstehen? Welches ist die essentielle Basis der christlichen Morallehre? Wo liegen die Herausforderungen? Wie sollte mit religiös begründeten Verhaltensnormen umgegangen werden?

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Jede Religion bzw. religiöse Gruppe hat ihre religiös unterlegte Ethik bzw. Morallehre mit eigenen Geboten und Verhaltensnormen. Diese orientieren sich an den jeweiligen Heiligen Schriften, der theologischen Literatur sowie an der kulturellen Tradition der Gemeinschaft. 

Moraltheologie im Christentum

Moraltheologie: Streben nach dem moralisch Guten

Die Theologische Ethik bzw. die Moraltheologie ist eine der Grunddisziplinen der Theologie. Sie befasst sich mit der Reflexion des moralisch Guten im Kontext christlicher Theologie, sowohl vom Standpunkt des Individuums (Individualethik – Gewissen) als auch vom Standpunkt einer gerechten Gesellschaft (Sozialethik – Gerechtigkeit, Institutionen, Strukturen). 

Das Fundament der Christlichen Ethik: Liebe und Barmherzigkeit

Die christliche Ethik bzw. Morallehre fusst schwergewichtig auf dem Neuen Testament. Zentral sind dabei die Werte der Liebe und Barmherzigkeit, wie sie z.B. in der Bergpredigt beschrieben sind (Matthäusevangelium, Kapitel 5-7). In der Bergpredigt ruft Jesus die Menschen dazu auf, ihre Mitmenschen zu lieben und allen mit Respekt zu begegnen, auch den Feinden. Er fordert die Menschen auf, Gutes zu tun und sich gegenseitig zu helfen, vor allem den Schwachen und Benachteiligten. Die Bergpredigt enthält auch die „Goldene Regel“ („Was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch“). Auch die Basis der christlichen Sozialethik ist in der Bibel festgeschrieben, z.B. die in der Apostelgeschichte beschriebene Gütergemeinschaft der Gläubigen. 

Religiös begründete Verhaltensnormen

Neben der religiös motivierten Ethik existieren auch religiös-moralisch begründete Verhaltensnormen bzw. Sittengesetze, wo erwünschte Verhaltensweisen konkret vorgeschrieben werden. Beispiele dafür sind z.B. die Sexualmoral, Essens- und Kleidervorschriften sowie Regelungen bezüglich der Stellung der Frau in der Gesellschaft.

Oft werden dabei Regeln, die vor vielen hundert Jahren in einem von unserem sehr verschiedenen Kontext sinnvoll oder gar fortschrittlich gewesen sein mögen, 1:1 in die heutige Zeit übertragen – unter Berufung auf den in den Heiligen Schriften manifestierten Willen Gottes. Die Folge sind restriktive Normen, die aus der Zeit gefallen zu sein scheinen (z.B. das Verbot von Verhütung in der Katholischen Kirche oder das Verhüllungsgebot für Frauen in islamischen Ländern). Das negative Extrembeispiel ist der Iran, wo religiöse Regeln und Normen unter Androhung von drakonischen Strafen konsequent durchgesetzt werden. 

Diskussion

Die Heiligen Schriften als Basis

Die Heiligen Schriften sind grundsätzlich menschliche Erzeugnisse, die in einem spezifischen historischen und kulturellen Kontext entstanden sind, der von unserem in aller Regel sehr stark abweicht. Da wir Gott bzw. das Absolute meist nur aus Schriften, kaum aber aus direkter Erfahrung kennen, stellt sich immer die Frage, inwieweit die Heiligen Schriften tatsächlich den Willen Gottes wiedergeben, oder wie wir wissen können, was für die heutige Zeit absolut richtig ist. Die Heiligen Schriften eignen sich deshalb bestenfalls als Wertebasis, aber kaum als Basis für detaillierte Regeln und Normen. 

Die Übertragung von Normen in unsere Zeit

Mouhanad Khorchide zeigt in seinem Werk „Islam ist Barmherzigkeit – Grundzüge einer modernen Religion“ einen guten Weg auf, wie mit Normen und Regeln zu verfahren ist, die in Heiligen Schriften bzw. ihren Kommentaren festgelegt sind:

  1. Eine Regel muss erst in ihren historischen Kontext verstanden werden (z.B. eine traditionelle Krieger- und Stammesgesellschaft, in der die Frauen kaum Rechte hatten).
  2. Daraus wird sodann die Intention der Regel abgeleitet (z.B. Schutz und Besserstellung der Frau).
  3. Schliesslich wird nicht die ursprüngliche Regel (z.B. die Verhüllung der Frau), sondern deren ursprüngliche Intention auf die heutige Zeit übertragen (z.B. überwachte Frauenparkplätze, Zugang zu Bildung, gleicher Lohn für gleiche Leistung, etc.).

Es ist einsichtig, dass die Regeln zum Schutz und zur Besserstellung der Frau in einem modernen europäischen Kontext anders aussehen müssen, als in einer Stammesgesellschaft des 7. Jahrhunderts auf der arabischen Halbinsel. Das gleiche gilt analog für alle in Heiligen Schriften bzw. ihren Kommentaren festgelegten Regeln und Normen. 

Das christliche Fundament der universellen Menschenrechte

Sowohl der moderne europäische Sozialstaat als auch der in der Zeit der Aufklärung entstandene Ansatz von individuellen und universellen Menschenrechten sind ohne das christliche Wertefundament schwer vorstellbar, auch wenn die Idee von der Kirche anfänglich bekämpft wurde. Das Konzept des eurpäischen Sozialstaats fusst letztlich auf einem zentralen christlichen Grundwert: der Nächstenliebe. 

Das Projekt Weltethos: Die Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen

Wie das » Projekt Weltethos zeigt, weisen die grundlegenden Werte und Gebote der verschiedenen Religionen wesentliche Gemeinsamkeiten auf. Eine religiös motivierte Ethik kann auf die jeweilige Gesellschaft im Hinblick auf den Schutz der Schwachen und Kranken sowie den sozialen Ausgleich grundsätzlich einen positiven Einfluss ausüben. 

Fazit

Eine religiös fundierte Ethik bzw. Morallehre kann auch in der heutigen Zeit eine sinnvolle Wertebasis bilden, die einzelnen moralischen Normen und Regeln müssen jedoch kritisch hinterfragt und auf ihre Anwendbarkeit in der heutigen Zeit geprüft werden.