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Rahmenbedingungen

Bild von geralt auf Pixabay
Welche Grundsätze sollten wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen zugrunde liegen? Welche Rahmenbedingungen könnten unsere Systeme verbessern?

Inhaltsverzeichnis

Was sollten wir anstreben?

Basis: Die soziale Marktwirtschaft hat sich bewährt

Wie » andernorts gezeigt, bildet die demokratisch kontrollierte soziale Marktwirtschaft eine gute Basis. Sie hat sich trotz aller Schwächen in der Praxis im Grundsatz bewährt. Im Hinblick auf finanzpolitische, soziale und ökologische Nachhaltigkeit besteht jedoch noch erhebliches Optimierungspotenzial. 

Grundsätze für optimale Rahmenbedingungen

Aufgrund der vorhergehenden Analyse lassen sich für wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen die folgenden Grundsätze aufstellen:

  • Die Marktkräfte sollen soweit frei wirken können, als die negativen externen Effekte (z.B. Umweltbelastungen) vertretbar sind.
  • Dort wo die freien Marktkräfte keine befriedigenden Resultate erbringen, sollen korrektive Massnahmen ergriffen werden, z.B. beim sozialen Ausgleich und beim Schutz der Umwelt.
  • Die entsprechenden Massnahmen sollen die Marktwirtschaft jedoch nicht als ganzes aushebeln und müssen nachhaltig finanzierbar sein.
  • Wenn immer möglich soll das System mittels Anreizsystemen wie z.B. Lenkungsabgaben in die gewünschte Richtung bewegt werden.
  • Gesetze und Vorschriften sowie direkte Eingriffe in die Marktkräfte sollen auf ein Minimum beschränkt bleiben.
  • Den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Problemen soll durch austarierte Rahmenbedingungen aktiv begegnet werden. Ökonomische Effizienz, Vollbeschäftigung, sozialer Ausgleich sowie der Schutz der Umwelt sollten das gleiche Gewicht erhalten. Das im Zeitalter des Neoliberalismus vorherrschende Ziel der maximalen ökonomischen Effizienz sollte gegenüber sozialen und ökologischen Kriterien etwas zurückgestellt werden. 

Im Folgenden werden einige Ideen für angepasste Rahmenbedingungen vorgestellt.

Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

Förderung der Kreislaufwirtschaft

Wo stehen wir heute

Zurzeit folgen wir der Logik einer linearen Wirtschaft. Rohstoffe werden in Produkte umgesetzt, diese werden ge- bzw. verbraucht und was übrig bleibt, wird entsorgt. Die Folgen dieses Ansatzes sind

  • ein Aufbrauchen der beschränkten natürlichen Ressourcen dieser Welt (Bodenschätze, Luft, Wasser)
  • Verschmutzung, Vergiftung und Zerstörung natürlicher Systeme durch Abholzung, Fehlnutzung, Entsorgung von Giftstoffen, schädliche Emissionen (z.B. CO2) und Produkte aus künstlichen Materialien wie Plastik, die sich in der Umwelt nur sehr langsam zersetzen
Quelle: Wikipedia

Dieses „Take, make, waste“-Modell hat zwar in vielen Teilen der Welt materiellen Wohlstand geschaffen, ist aber angesichts der weltweit wachsenden Bevölkerung und des insgesamt steigenden Wohlstands nicht nachhaltig. In absehbarer Zeit werden die nichterneuerbaren Rohstoffe aufgebraucht sein und die Umwelt wird nicht mehr in der Lage ist, alle Abfälle und Emissionen aufzunehmen, ohne zu kollabieren. 

Die fühl- und messbare Klimaerwärmung ist ein Indikator dafür, dass wir daran sind, unsere eigene Lebensgrundlage zu zerstören.

Eine Welt mit endlichen Ressourcen kann nur unbeschränkt fortgeführt werden, wenn alle Stoffkreisläufe geschlossen sind, d.h. dass Abfälle weitmöglichst vermieden oder wiederverwertet werden und dass das Ausmass an Emissionen deren natürliche Absorption nicht übersteigt. Es sollte also z.B. insgesamt nicht mehr CO2 in die Atmosphäre gelangen, als die Natur aufzunehmen in der Lage ist. 

Die Lösung: Kreislaufwirtschaft

Quelle: Wikipedia

Ein nachhaltiger Lebensstil muss nicht unbedingt nur auf Verzicht basieren. Es ist jedoch notwendig, dass wir mit den natürlichen Ressourcen intelligenter umgehen als bisher. Die Kreislaufwirtschaft nimmt den Stoffkreislauf der Natur zum Vorbild.

Die Kreislaufwirtschaft hat zum Ziel, die Ressourcen nachhaltig zu nutzen, so dass in Summe die natürlichen Ressourcen erhalten bleiben, möglichst keine nicht verwertbaren Abfälle entstehen (zero waste) und die Emissionen im Rahmen dessen bleiben, was die Natur absorbieren kann (zero emission). Dazu sind folgende Massnahmen notwendig:

  • Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energiequellen
  • Rohstoffe  weitgehend rezyklieren
  • Verbleibende Abfälle umweltschonend vernichten

Konkret bedeutet dies, den Energieverbrauch insgesamt zu senken und weitmöglichst mittels Wasser-, Solar- und Windenergie sowie Erdwärme zu decken. Produkte sollten möglichst lokal hergestellt werden und müssen besser reparier- und aufrüstbar sein. Abfälle sollten weitmöglichst wiederverwendet werden, sei es als Grundlage für neue Produkte (Recycling), als Energieträger oder als Kompost. 

Das grösste Hindernis in der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft besteht darin, dass heute die Überbeanspruchung von Ressourcen und die Verschmutzung der Umwelt wesentlich kostengünstiger und für die komfortverwöhnten Bürger attraktiver erscheinen als eine Kreislaufwirtschaft. Die Politik muss nun einen Massnahmenmix entwerfen, der die gewünschte Wirkung entfaltet und politisch umsetzbar ist. Mögliche Massnahmen sind:

  • Ökologische Steuerreform (Umweltsteuern, handelbare Zertifikate für umweltschädliche Emissionen wie z.B. CO2).
  • Subventionen für den Einsatz umweltschonender Verfahren (z.B. Isolation von Häusern und Ausrüstung mit Solarpanels).
  • Förderung von Innovationen zur effizienteren Nutzung bzw. der Schonung natürlicher Ressourcen (Forschungsförderung, Subventionen für den Einsatz neuer Methoden, z.B. der Energiegewinnung und -einsparung).
  • Staatliche Regulierungen (z.B. Grenzwerte für umweltbelastendes Verhalten).

Umweltlenkungsabgaben

Signifikante Umwelt-Lenkungsabgaben auf sämtlichen natürlichen Ressourcen fördern den haushälterischen Umgang und die Entwicklung neuer Technologien. Beispiele dafür sind die CO2-Abgabe oder der Handel mit Zertifikaten zur Nutzung von natürlichen Ressourcen.

Die Fertigung vor Ortreparaturfähige Produkte sowie dezentrale Logistikkonzepte würden wieder attraktiv. Lenkungsabgaben sind somit zum Vorteil des Werkplatzes Europa.

Die Ablehnung des CO2-Gesetzes in der Schweiz im Juni 2021 hat jedoch gezeigt, dass griffige Massnahmen einen schweren Stand haben. Die Akzeptanz von Umweltsteuern könnte jedoch erhöht werden, wenn ein signifikanter Anteil des Ertrags an die Bürger zurück verteilt wird. Der Ertrag aus solchen Abgaben kann auch in den Aufbau einer ökologisch nachhaltigen Energieversorgung und in Energiesparmassnahmen (z.B. thermische Sanierung von Häusern) investiert werden, oder über die Finanzierung von Sozialwerken zur Verbilligung der Arbeitskosten eingesetzt werden. Das steigert unsere Lebensqualität und schafft einen Konkurrenzvorteil für die Nach-Erdölzeit.

Der Ansatz ist zurzeit politisch nur bedingt mehrheitsfähig. Die grösste Chance hat vermutlich eine moderate Besteuerung natürlicher Ressourcen, gekoppelt mit der Investition des Ertrags in die Altersvorsorge sowie in Energiesparmassnahmen (Gebäudesanierungen). 

Umgang mit Abfall

Abfälle sind möglichst zu vermeiden oder wiederzuverwenden. Die Kosten für die Entsorgung sollten den Verursachern belastet werden, nach Menge und Umweltbelastung der zu entsorgenden Abfälle. Auch eine Lenkungsabgabe auf Abfällen ist denkbar, wobei Pfandsysteme steuerlich entlastet werden sollten. Als begleitende Massnahmen sind hohe Strafen für nicht korrekt entsorgten Abfall bzw. Littering in Betracht zu ziehen. 

Bekämpfung von Sozial- und Umweltdumping

Hohe Umwelt- und Sozialstandards sind nicht gratis

Gute Sozialleistungen und der Einsatz von umweltschonenden Technologien sind nicht zum Nulltarif zu haben – sie verteuern die Produktion in Europa. Es besteht daher ein Anreiz, im Rahmen der Globalisierung Arbeiten in Länder mit tieferen Sozial- und Umweltstandards auszulagern und so die für die hohe Lebensqualität in Europa verantwortlichen Rahmenbedingungen zu unterlaufen. 

Einführung einer Grenzausgleichsabgabe

Es müsste deshalb geprüft werden, ob die kaufkraftbereinigten Sozial- und Umweltkosten nicht auf allen importierten Halb- und Fertigfabrikaten sowie auf allen Dienstleistungen nachbelastet werden müssten (Internalisierung dieser Kosten). Im Rahmen des ‚New Green Deals‘ ist in der EU zurzeit eine Diskussion über die Einführung eines ‚Klimazolls‘ bzw. einer ‚Grenzausgleichsabgabe‘ im Gange. Diese ist bisher jedoch auf die Umwelt bzw. den Klimawandel beschränkt. 

Positive Effekte einer solchen Abgabe

Die Herstellung in Schwellenländern würde dadurch verteuert. Das schafft einen Anreiz, industrielle Wertschöpfung und damit auch Arbeitsplätze zurück nach Europa bzw. in die USA zu holen. Zudem werden auf diese Art dezentralere, überblickbarere und letztlich auch stabilere Wirtschaftsstrukturen geschaffen. Die negativen Folgen der Globalisierung, nämlich das Sozial- und Umweltdumping durch Outsourcing in Schwellenländer, würde gedämpft. In den betroffenen Ländern würde zudem ein Anreiz zu einem umwelt- und sozialverträglicheren Wirtschaften geschaffen, was sich auf die dortigen Lebensbedingungen positiv auswirken würde.

Die Massnahme wäre in der Durchführung zwar sehr aufwändig, wäre aber in einem grossen Wirtschaftsraum wie der EU oder den USA umsetzbar und würde einen starken Impuls in die richtige Richtung setzen. 

Kontrolle der Finanzmärkte

Finanzmärkte: Spielwiese für Zocker

Die Finanzierung von Staat und Wirtschaft sowie unsere Altersversorgung hängen zu einem guten Teil von den Finanzmärkten ab. Diese sind heute jedoch allzu oft bloss Spielwiese von Individuen und Institutionen, die im Sinne einer Zockermentalität nur auf kurzfristige Gewinne aus sind (» Kasino-Kapitalismus). Erschwert wird die Situation noch durch die verantwortungslos expansive Geldpolitik der Notenbanken und die damit verbundenen tiefen Zinssätze. 

Abkoppelung von der Realwirtschaft

Die globalisierten und wenig regulierten Finanzmärkte haben sich von der Realwirtschaft abgekoppelt; die Funktion der Finanzierung von Wertschöpfung ist gegenüber hoch spekulativen Finanzmarkttransaktionen in den Hintergrund gerückt.

Das System der Finanzmärkte ist instabil und wirkt negativ auf die Realwirtschaft zurück. Es besteht die Gefahr der Bildung von Blasen. Platzen diese, entstehen in der Regel erhebliche negative Seiteneffekte auf die Realwirtschaft und auf die Sozialwerke (z.B. die Arbeitslosenkassen). 

Griffige Regulierung der Finanzmärkte

Es wäre zu überlegen, wie die Finanzmärkte zu regeln sind, damit sie der Wirtschaft und dem Gemeinwesen dienen und nicht umgekehrt, wie das heute der Fall ist.

Ein Verbot sämtlicher für ein gutes Funktionieren der realen Wirtschaft nicht notwendigen Finanzprodukte wäre zu prüfen.

Zudem sollten Finanztransaktionen generell besteuert werden (» Tobin-Tax). 

Bekämpfung der Steuerflucht

Gewinn aus Kapitalflucht von Entwicklungs- und Schwellenländern

Untersuchungen zeigen, dass der Ertrag der aus der Dritten Welt stammenden Fluchtkapitalien ein Mehrfaches der Entwicklungshilfe an eben diese Länder ausmacht. Gemäss Untersuchungen des Forschungsinstituts » Global Financial Integrity in Washington flossen zwischen 2001 und 2010 rund 5’500 Milliarden Franken Schwarzgelder von Entwicklungs- und Schwellenländern in Steueroasen und Industrienationen, darunter auch in die Schweiz.

Es ist in diesem Zusammenhang stossend, dass einzelne Schweizer Banken unversteuerte und nicht immer legal erworbene Vermögenswerte wohlhabender Bürger armer Länder verwalten, während die Weltgemeinschaft inklusive der Schweizer Steuerzahler viel Geld ausgeben, um ebendiese Länder vor dem Kollaps zu bewahren. 

Ethisch fragwürdige Steuervermeidungsstrategien internationaler Konzerne

Die Unternehmenssteuern sind in einigen Schweizer Kantonen sehr tief. Das hat dazu geführt, dass an Orten wie z.B. Genf und Zug viele Alibi-Rumpfgesellschaften (Holdinggesellschaften) mit einigen wenigen Mitarbeitern gegründet wurden, um dort einen möglichst hohen Anteil der Konzerngewinne auszuweisen und günstig zu versteuern. Oft versteuern solche Unternehmen in Ländern mit höheren Steuersätzen trotz gutem Geschäftsgang keine Gewinne.

Über verschiedene Tricks (Transferpreise, Management-, Lizenz- und Brand-Fees) werden die Gewinne buchhalterisch in Länder mit tiefem Steuersatz verschoben. In einer Publikation vom Januar 2016 präsentierte » Public Eye die » Steuertricks von Modefirmen im Tessin. Es dürfte sich dabei nur um die Spitze des Eisbergs handeln. 

International koordinierte Massnahmen gegen Steuerflucht

Bereits 2012 beauftragten die G20 die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), » Massnahmen gegen die Aushöhlung der Steuerbasis und die Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting – BEPS) zu erarbeiten. 2015 hat die OECD ein » Massnahmenpaket mit 15 Punkten vorgelegt, um mithilfe internationaler Koordination gegen die legale Steuervermeidung in multinationalen Unternehmen vorzugehen. Im Oktober 2021 hat die OECD schliesslich die Eckwerte zur künftigen Besteuerung von grossen, international tätigen Unternehmen veröffentlicht. 137 Länder haben sich auf eine Mindestbesteuerung von 15 Prozent für international tätige Unternehmen mit Umsätzen über 750 Millionen Euro geeinigt. Die Schweiz wird diese Regelung per 1. Januar 2024 umsetzen.

Zu prüfen wäre in diesem Zusammenhang auch der Ansatz des » Tax Justice Network, wonach die Gewinne multinationaler Unternehmen in globo besteuert und die Steuererträge auf der Basis der realen Geschäftstätigkeit auf die beteiligten Länder aufgeteilt würden.

Die genannten Massnahmen würden die Steuerzahler in einzelnen Schweizer Kantonen, wie z.B. Zug, teuer zu stehen kommen. Global koordinierte Unternehmenssteuern wären jedoch eine konsequente und faire Lösung für eine globalisierte Wirtschaft. 

Automatischer Informationsaustausch und Abschaffung der Pauschalbesteuerung

Geldwäscherei und Steuerflucht dürfen durch das sog. Bankgeheimnis bzw. durch eine schlaumeierische Steuergesetzgebung nicht geschützt werden. Der automatische gegenseitige Informationsaustausch über Finanztransaktionen und Bankguthaben soll deshalb nicht nur mit EU-Ländern, sondern auch mit allen anderen Ländern eingeführt werden, wenigstens soweit dies aus sicherheitstechnischen Gründen vertretbar ist (Gefahr von Entführung und Erpressung reicher Bürger in Staaten, wo die Steuerdaten nicht ausreichend vor Missbrauch geschützt sind).

In diesem Zusammenhang sollte auch die Pauschalbesteuerung wohlhabender Ausländer abgeschafft werden (siehe unten). 

Lieferkettengesetz: Umfassende Unternehmensverantwortung

Konzerne mit Sitz in der Schweiz sollen für gravierende Verletzungen der Menschenrechte sowie für Umweltschäden ihrer ausländischen Tochterfirmen sowie der gesamten Zulieferkette in der Schweiz voll haftbar gemacht werden können. Die von » Public Eye gestartete » Konzernverantwortungsinitiative (KVI)wurde am 29. November 2020 vom Schweizer Stimmvolk knapp abgelehnt, d.h. sie scheiterte lediglich am Ständemehr. Die Kernanliegen der Initiative könnten nun jedoch mit einem Vorschlag der EU-Kommission dennoch erreicht werden und für Schweizer Unternehmen von Relevanz sein. Am 23. Februar 2022 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für ein Gesetz über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen, das sogenannte EU-Lieferkettengesetz vorgelegt. Das Gesetz soll Firmen zur Einhaltung des Schutzes von Umwelt, Menschen- und Kinderrechten entlang der gesamten Wertschöpfungskette innerhalb ihres eigenen Geschäftsbereichs verpflichten. » Lieferkettengesetz 

Bekämpfung von Marktdominanz

Grosskonzerne haben eine erhebliche politische Macht

Grosse Unternehmen haben im Rahmen der Globalisierung die Möglichkeit, staatliche Regelungen auszuhebeln, z.B. durch die Wahl des Unternehmenssitzes in einem steuergünstigen Umfeld, steueroptimierte Transferpreise oder die Fertigung in Ländern mit tiefen Sozial- und Umweltstandards. Zudem vergrössern solche Unternehmen durch weitere Akquisitionen laufend ihre Marktmacht.

Die mit der zunehmenden Marktmacht einhergehende finanzielle Potenz ermöglicht ein umfangreiches Lobbying bei Parlamentariern und staatlichen Stellen im In- und Ausland. Dabei wird versucht, die Rahmenbedingungen zu Gunsten der Unternehmen zu beeinflussen, oft zum Schaden der lokalen Gemeinschaften und der Umwelt. Einzelne Unternehmen sind so gross, dass ihr Untergang eine ganze Volkswirtschaft gefährden kann (‚too big to fail‘). Verschärfend kommt hinzu, dass grosse Unternehmen über Akquisitionen ständig weiterwachsen und sich so schleichend Oligopole oder gar faktische Monopole bilden. 

Oligopole und de-facto Monopole

Aufgrund ihrer Spezialisierung sind beispielsweise grosse Pharmafirmen zunehmend Quasi-Monopolisten, die geschützt durch langjährige Patente ihre monopolartige Stellung für die Durchsetzung exorbitanter Preise auf Kosten der Krankenkassen und deren Prämienzahler nutzen (z.B. Novartis bei Krebsmedikamenten). Die gleichen Unternehmen ziehen sich aus der für die Gesundheit der Weltbevölkerung lebenswichtigen Antibiotika-Forschung zurück. Diese wird gerne dem Staat bzw. Start-ups überlassen die dann bei günstiger Gelegenheit übernommen werden. 

Notwendigkeit von strengeren Kartellvorgaben

Strengere Vorgaben in Bezug auf marktdominante Unternehmensgrössen, Akquisitionen, Kartelle (Antitrust) und Lobbying sind dringend notwendig um die Bildung weiterer Oligopole bzw. de-facto Monopole zu verhindern. Die Preisbildung von Unternehmen mit Monopolcharakter, wie z.B. Novartis, müsste durch den Staat übersteuert werden können. Des Weiteren ist zu prüfen, ob Unternehmen mit einem hohen Potenzial zur Marktdominanz (z.B. Nestlé, Google, Meta, Amazon, etc.) nicht zwangsweise in mehrere, voneinander unabhängige Unternehmen aufgeteilt werden müssten. 

Förderung der Gemeinwohl orientierten lokalen Wertschöpfung

Zu prüfen wären steuerliche Vorteile für genossenschaftlich organisierte Unternehmungen, die auf eine lokale Wertschöpfung setzen, keine Profitmaximierung anstreben und einen Teil ihres Ertrags in soziale und kulturelle Projekte investieren. Beispiele für solche Unternehmen sind in der Schweiz die beiden grössten Detailhandelsketten Migros und Coop.

Im Januar 2020 wurde in Bern die » Idée Coopérative, eine Art Genossenschaft für Genossenschaften gegründet. Die ‚Idée Coopérative‘ soll zum neuen Kompetenzzentrum für alle Fragen und Netzwerk rund um Genossenschaften werden. 

Sozialer Ausgleich

Faire Verteilung von Einkommen und Vermögen

Soziale Segregation hat grosse negative Auswirkungen für uns alle

Grosse soziale Ungleichheiten wirken sich in verschiedener Hinsicht ungünstig auf eine Gesellschaft aus. Wenn die Lebenschancen eines signifikanten Anteils der Bevölkerung systematisch eingeschränkt sind, führt dies zu Verelendungstendenzen, erhöhten Kriminalitätsraten, sozialer Unrast und letztlich zu einer sinkenden Lebensqualität für alle Bevölkerungsschichten. 

Beschränkung der Einkommensschere: Volksinitiative 1:12

Im Herbst 2013 wurde die Eidgenössische Volksinitiative » 1:12 – Für gerechte Löhne mit 65% Nein-Stimmen abgelehnt. Sie hatte verlangt, dass das Verhältnis zwischen dem höchsten und dem tiefsten Lohn in einem Unternehmen nicht grösser als 1:12 sein darf.

Die Festlegung auf ein für die gesamte Wirtschaft geltendes fixes Verhältnis war jedoch zu unflexibel. Die Angst vor negativen Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Schweiz war zu gross (Abwanderung von Unternehmen). Zudem war auch mit erheblichen Ausfällen bei den einkommensbasierten Steuern und Sozialabgaben zu rechnen. Der Ansatz geht jedoch im Hinblick auf eine faire Einkommensverteilung grundsätzlich in die richtige Richtung. 

Begrenzung sehr hoher Einkommen: Abzockerinitiative

Die Abzockerinitiative

Infolge teilweise sehr hoher Gehälter einiger weniger Spitzenverdiener ist die Einkommensschere in den vergangenen Jahren tendenziell grösser geworden. Aus diesem Grund wurde 2013 in der Schweiz eine gesetzliche Regelung von Rahmenbedingungen vom Volk angenommen, die exzessive Gehälter erschweren soll (» Abzockerinitiative). 

Knackpunkt: Umsetzung der Initiative

Der Nachweis einer wirksamen Umsetzung steht noch aus. Zurzeit bewegen sich die Gehälter von Führungskräften immer noch eher nach oben. Sobald eine Führungskraft etwas mehr verdient als ihre Vergleichsgruppe, weckt dies Neid, Eitelkeiten und Begehrlichkeiten. Da aufgrund der spezifischen Machtverhältnisse in den Unternehmen und der fehlenden Sensibilität auf Seite der Grossaktionäre keine Beschränkung auf eine vernünftiges Mass zu erwarten ist, braucht es eine gesetzlich geregelte Limite von Managergehältern. 

Abschaffung der Pauschalbesteuerung

In verschiedenen Schweizer Kantonen werden einzelne wohlhabende Ausländer pauschal besteuert. Dabei werden die Steuern nicht auf Einkommen und Vermögen erhoben, sondern auf dem ‚Lebensaufwand‘ der Steuerpflichtigen. Dieser wird i.d.R. auf der Basis eines Vielfachen des Mietzinses bzw. des Eigenmietwerts berechnet.

Es wird von vielen Bürgern als stossend empfunden, dass sich wohlhabende Personen mit Hilfe einer schlaumeierischen Schweizer Steuergesetzgebung vor ihrer Verantwortung gegenüber ihren Heimatländern drücken können.

Die » Volksinitiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung wurde 2014 mit 59% Nein-Stimmen abgelehnt. Zu gross war die Angst, dass wohlhabende Mitbürger wegziehen und damit die Steuerlast für alle anderen steigt. 

Erbschaftssteuer

Auch die Vermögen sind in der Schweiz ungleich verteilt – mit einer Tendenz zur Vergrösserung der Kluft. Im Jahr 2011 besass das reichste Prozent der Steuerpflichtigen 40% der steuerbaren Reinvermögen, die untersten 90% gerade noch 26%.

Die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer ab einem bestimmten Freibetrag wäre im Hinblick auf die Verteilgerechtigkeit von Lebenschancen zu prüfen, zumal die Erben schwergewichtig aufgrund ihrer Herkunft und ohne eigenes Zutun in den Genuss ihres Reichtums gelangen.

Die Volksinitiative » Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform) wurde 2015 vom Volk mit 71% Nein-Stimmen abgelehnt. Einer der Hauptgründe für die Ablehnung war, dass die Übergabe von Familienunternehmen von einer Generation an die nächste zu wenig durchdacht war. 

Bedingungsloses Grundeinkommen

Automatisierung vernichtet Arbeitsplätze

Mit der 4. industriellen Revolution (Industrie 4.0) soll die Automatisierung und Roboterisierung von Arbeitsprozessen noch erheblich ausgebaut werden. Es ist damit zu rechnen, dass europaweit Millionen von traditionellen Arbeitsplätzen verloren gehen werden. Wie diese Menschen in Zukunft beschäftigt werden und wo sie ein Auskommen finden können, ist zurzeit noch unklar. Verschärft wird die Situation zudem durch die Zuwanderung von hunderttausenden von meist jungen männlichen Migranten nach Europa. 

Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen

In diesem Zusammenhang bot die 2013 eingereichte » Volksinitiative zum bedingungslosen Grundeinkommen einen möglichen Weg, mit dem Problem umzugehen. Das Volksbegehren wurde 2016 mit 77% Nein-Stimmen abgelehnt. Dem Begehren waren schon im Vorfeld wenig Chancen eingeräumt worden, denn einerseits war das angestrebte garantierte Grundeinkommen sehr tief angesetzt, andererseits war die Finanzierung trotz dieses tiefen Betrags nicht gelöst. 

Maschinensteuer

Im Zusammenhang mit der zunehmenden Automatisierung wäre die Einführung einer » Wertschöpfungsabgabe (‚Maschinensteuer‘) zu bedenken. Es würden nicht mehr nur die Lohnempfänger, sondern auch die Produktionsanlagen besteuert. Damit würden die Arbeitskosten im Vergleich zu den Maschinenkosten billiger und der Anreiz kleiner, Arbeitskräfte durch kapitalintensive Maschinen zu ersetzen. Zudem würde für den Staat Einkommen generiert, das in Form eines Grundeinkommens wieder verteilt werden könnte. 

Würde eine solche Abgabe jedoch nur in der Schweiz bzw. in Europa eingeführt, würde dies zu einer massiven Abwanderung von wertschöpfungsreichen Tätigkeiten in andere Weltgegenden führen, was die Probleme nicht lösen sondern eher noch verschärfen würde. Eine Maschinensteuer wäre also nur in Kombination mit der Nachbelastung einer solchen Steuer auf sämtliche industriell gefertigte Importgüter machbar (siehe oben ‚Bekämpfung von Sozial- und Umweltdumping‘). 

Staatswesen

Schuldenbremse

Viele Begehrlichkeiten nach staatlichen Leistungen

Die meisten Menschen nehmen staatliche Leistungen gerne in Anspruch, ja sie erachten diese meist als selbstverständlich. Müssen staatliche Leistungen nur schon limitiert, geschweige denn abgebaut werden, ist mit grossem Widerstand rechnen. Auch bei einer hohen oder gar steigenden Staatsquote wird von linker Seite immer noch gerne ein ‚Sozialabbau‘ beklagt. In der Praxis besteht ein grosses Potenzial an Begehrlichkeiten an staatlichen Dienstleistungen. 

Mission Creep: Politiker haben einen Anreiz Geld auszugeben

Politiker wollen in der Regel wiedergewählt werden. Sie haben deshalb einen Anreiz, die Leistungen des Staates auszubauen, um ihre Wählerschaft zu befriedigen. Kommt hinzu, dass (staatliche) Institutionen generell die Tendenz haben, ihren Einflussbereich ausdehnen zu wollen (» Mission Creep). 

Begrenzung der Begehrlichkeiten durch eine Schuldenbremse

Werden die genannten Effekte nicht mittels einer gesetzlich verankerten Schuldenbremse kompensiert, ist eine Überschuldung des Gemeinwesens unausweichlich, wie die Erfahrung aus praktisch sämtlichen Demokratien zeigt. In der Schweiz wurde die Schuldenbremse im Jahr 2001 in die Verfassung aufgenommen und hat sich seither auf Bundesebene sehr bewährt. 

Robuste Sozialwerke

Wirksame soziale Ausgleichsmechanismen und nachhaltig finanzierte Sozialwerke mit schlanken Strukturen für Alter, Krankheit und Invalidität sind unabdingbare Elemente eines Sozialstaates. Die Sozialwerke müssen jedoch finanzierbar bleiben. Dazu braucht es eine Beschränkung auf das Machbare, wirksame Anreizsysteme zur Selbstverantwortung der Versicherten (siehe » Homo Oeconomicus) sowie eine robuste Finanzierung.

Die Schweizer Arbeitslosenversicherung und die Invalidenversicherung (IV) sind dafür gute Beispiele. Die Altersvorsorge könnte in naher Zukunft in Schieflage geraten, da einerseits die Menschen immer älter werden und andererseits die Erträge aus den Anlagen der 2. Säule in den letzten Jahren geschrumpft sind (tiefe Zinsen). Die Konzeption der 2. Säule müsste deshalb im Hinblick auf deren Finanzierung näher angeschaut werden.

Auch das aktuelle Modell der Krankenkassen müsste im Hinblick auf seine Anreizmechanismen bei Patienten, Ärzten, Spitälern und Krankenkassen weiter optimiert werden. Zudem wäre die obligatorische Pflegeversicherung für ältere Menschen, wie sie bereits einmal zur Diskussion stand, neu zu prüfen. 

Von der Wehrpflicht zur allgemeinen Dienstpflicht

Landesverteidigung ist nicht der einzige Bürgerdienst

Heute gilt im Grundsatz immer noch die Wehrpflicht für alle jungen Männer, obschon der Bedarf an Soldaten eher abnimmt. Auf der anderen Seite besteht infolge der Demographie ein zunehmender Bedarf an Pflegedienstleistungen. 

Warum nur die Männer?

Es ist im Zeitalter der Gleichstellung überdies nicht einsichtig, weshalb nur die Männer wehrpflichtig sein sollen. Die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Männer und Frauen, die für beide Geschlechter auch einen Militärdienst beinhalten kann, wäre wünschenswert.

Viele Frauen wehren sich jedoch vehement gegen eine allgemeine Dienstpflicht.  Sie machen geltend, dass sie bereits die Hauptlast der unbezahlten Betreuungsarbeit, z.B. von Eltern und Kindern, tragen und zudem beruflich immer noch benachteiligt seien. Diese Argumentation wäre auf ihren Gehalt zu hinterfragen. 

Nutzen einer allgemeinen Dienstpflicht für alle

Die Massnahme würde bei einer moderaten Kostensteigerung die soziale Leistungsfähigkeit des Staates markant erhöhen. Zudem würden junge Menschen vermehrt in die Verantwortung für Andere eingebunden, was der menschlichen Reifung zuträglich wäre.

Ein Knackpunkt dürfte darin bestehen, die heute v.a. von den Frauen geleistete unbezahlte Betreuungsarbeit in dem Konzept angemessen zu berücksichtigen. 

Schweizer Verein zur Förderung des Milizengagements

In 2013 wurde » ServiceCitoyen.ch gegründet. Ziel des Vereins ist es, das Schweizer Milizsystem zu revitalisieren. Zu diesem Zweck soll eine Initiative gestartet werden, um die Bundesverfassung so zu ändern, dass jede Bürgerin und jeder Bürger mindestens einmal im Leben einen Bürgerdienst zugunsten von Gesellschaft und Umwelt leistet. Zu den Aufgaben im öffentlichen Interesse zählt die Initiative u.a. die Armee, den Zivilschutz, die Revitalisierung der Gewässer, den Kulturgüterschutz und die freiwillige Feuerwehr. 

Förderung der Freiwilligenarbeit

Ohne den Einsatz von Freiwilligen könnte manche soziale Institution nicht bestehen. Freiwilligenarbeit sollte zum guten Ton gehören und ev. über entsprechende Steuerabzüge besser honoriert werden.