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Die Positionen des interreligiösen Dialogs

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
Welche Grundpositionen gibt es? Was bedeuten die Begriffe ‚Exklusivismus‘, ‚Inklusivismus‘ und ‚Pluralismus‘? Wie können wir mit den einzelnen Positionen umgehen? Wo liegen die grössten Herausforderungen?

Inhaltsverzeichnis

Die Grundpositionen

Ob es im Einzelfall zu einer echten inhaltlichen Auseinandersetzung mit anderen Religionen kommt, hängt von der Motivation und der Fähigkeit des Einzelnen ab, sich mit den anderen Glaubenssystemen vertieft auseinanderzusetzen und sie in ihrem jeweiligen Kontext zu verstehen.

Viele gegenseitige Vorurteile zwischen den Religionsgemeinschaften basieren auf fehlendem oder falschem Wissen bzw. auf der Fehlinterpretation von Begriffen und Konzepten. Oft werden der Kontext und die jeweils eigene Sprache und Symbolik der anderen Religion nicht genügend geklärt.

Im interreligiösen Dialog werden drei Grundpositionen unterschieden, die exklusivistische, die inklusivistische sowie die pluralistische Position. Diese Positionen werden im Folgenden kurz vorgestellt und kommentiert. 

Exklusivismus – Nur die eigene Religion führt zum Heil

Nur die eigene Religion ist die wahre Religion

In dieser Position wird ein exklusiver Heils- und Wahrheitsanspruch der eigenen Religion oder gar Konfession vertreten. Es gibt nur eine wahre Religion, Konfession oder Schule, nämlich die eigene. Für die Anhänger anderer Religionen wird eine Heilsmöglichkeit explizit ausgeschlossen. Diese Position findet sich bei einzelnen Konfessionen, Schulen oder Gruppen aller Religionen. 

Christlicher Exklusivismus vs. Gottes Heilswillen

Im Christentum wird die Position des radikalen Exklusivismus v.a. von evangelikalen Kreisen vertreten. Nur wer an Jesus Christus glaubt, kann die heilsame Zuwendung Gottes erfahren. Damit steht die Position aber im Widerspruch zum Glauben an den allgemeinen Heilswillen Gottes: Wie lässt sich der Heilswillen Gottes mit der Tatsache verbinden, dass nur ein kleiner Teil der Menschheit erlöst wird, die Mehrzahl aber zur ewigen Verdammnis vorherbestimmt ist (übrigens inklusive Abraham und Moses, die ja beide Jesus Christus nicht gekannt haben)? Wäre ein solcher Gott noch ein Gott der Liebe?

Die Position kann nur mittels theologischer Konstruktionen mit dem allgemeinen Heilswillen Gottes in Vereinbarung gebracht werden und wurde deshalb in der Praxis vielfach durch einen gemässigten oder unentschiedenen Exklusivismus abgelöst. Ersterer steht der inklusivistischen Position nahe (siehe unten), letzterer ist ein verkappter radikaler Exklusivismus. 

Interreligiöser Dialog mit Exklusivisten

Der interreligiöse Dialog mit Vertretern exklusivistischer Positionen ist auf der Ebene der Theologie bzw. Religionsphilosophie schwierig. Auf der Ebene des direkten zwischenmenschlichen Austauschs über Sorgen, Nöte, Werte und ethische Grundsätze scheint ein fruchtbarer Austausch aber möglich zu sein.

Basiert die exklusivistische Position auf fehlendem oder falschem Wissen über andere Religionen, ist es denkbar, dass der interreligiöse Dialog bei Einzelnen zu einer inklusivistischen Position führen kann.

Neben dem zwischenmenschlichen Austausch ist der Aufbau von fundiertem gegenseitigem Wissen über die jeweils anderen Religionen für einen erfolgreichen interreligiösen Dialog eine zentrale Voraussetzung. Dabei sollten die anderen Religionen möglichst auf der Basis des eigenen Bezugsrahmens erklärt werden. Wie hat der Begründer der anderen Religion gelebt? Wie ist z.B. das Gebot der Nächstenliebe in den anderen Religionen umgesetzt? 

Inklusivismus – Die eigene Religion ist die vollkommenste

Das Gute in andere Religionen ist in der eigenen Religion immer schon inkludiert

Den anderen Religionen wird eine gewisse Heilsfähigkeit zugesprochen. Das Gute und Wahre anderer religiöser Wege wird zwar gewürdigt, im eigenen Weg jedoch immer schon als inkludiert angesehen. Was es an Gutem um Wahrem gibt, ist in der eigenen Religion, und nur hier, im höchsten Mass verwirklicht. Die eigene Religion ist den anderen Religionen somit grundsätzlich überlegen.

Die anderen Religionen enthalten „Elemente der Gnade, die in der Lage sind, die positive Antwort ihrer Anhänger auf Gottes Einladung zu unterstützen“, aber „alles Heil, das sich in den anderen Religionen findet, verdankt sich der Erlösung in Christus. (…) Christen wissen das durch ihren Glauben, während anderen unbewusst bleibt, dass Jesus Christus die Quelle ihres Heiles ist.“ (Dialog und Verkündigung, 1991; in Schmidt-Leukel, Gütersloh 2005). 

Inklusivismus im Christentum

Auf Nichtchristen kann eine solche Aussage überheblich und ignorant wirken. Das Christentum bleibt zudem den praktischen Beweis schuldig, dass es im Hinblick auf die in der Praxis realisierten ‚Früchte des Heiligen Geistes‘ als Heilsweg den anderen Religionen überlegen ist, zumal seine Dogmen und Rituale vielfach zu inhaltsleeren Hülsen erstarrt sind. Das gilt analog auch für alle anderen Religionen. Die inklusivistische Position gilt als Lehrmeinung der katholischen Kirche. 

Interreligiöser Dialog mit Inklusivisten

Eine inhaltliche Diskussion über Glaubensinhalte ist grundsätzlich möglich. Die Kriterien zur Beurteilung anderer Religionen werden jedoch streng am eigenen Bezugssystem festgemacht und in der Regel so eng gefasst, dass sich andere Religionen immer als systematisch unterlegen erweisen. Der interreligiöse Dialog wird teilweise als Möglichkeit zur Mission verstanden.

Die Vertreter inklusivistischer Positionen lassen sich durch fremde Religionen aber auch bereichern. Es gibt Beispiele für Personen, die sich durch die intensive Auseinandersetzung mit fremden Religionen von einer inklusivistischen zu einer pluralistischen Position hin entwickelt haben. 

Pluralismus – Die Weltreligionen sind gleichwertig

Alle Religionen beziehen sich auf dieselbe transzendierende Wirklichkeit

Die (Welt-)religionen werden verstanden „als zwar verschiedene, aber doch gleichermassen gültige Wahrnehmungen einer alle Religionen und deren menschliche Begrenzungen gleichermassen transzendierende Wirklichkeit“ (Schmidt-Leukel, Gütersloh 2005, Seite 176).

Diese ‚transzendierende Wirklichkeit‘ wird als ein gemeinsamer Einheitsgrund, Transzendenzgrund oder Urgrund verstanden, auf den sich alle Religionen letztlich beziehen. Die verschiedenen Religionen sind somit nur verschiedene Sichtweisen auf dasselbe Absolute. Der eigene Religionsstifter wird als ein Offenbarungsvermittler neben anderen gesehen. 

Interreligiöser Dialog mit Pluralisten

Die Vertreter anderer Religionen werden als Dialogpartner auf Augenhöhe respektiert. Das Gute und Wahre in der anderen Religion wird anerkannt. Eine inhaltliche Diskussion über Glaubensinhalte ist möglich. Die Kriterien zur Beurteilung anderer Religionen sind weit gefasst. 

Diskussion – wo liegen die grössten Herausforderungen?

Viele Kommentare zu anderen Religionen sind nicht von grossem Verständnis geprägt

Studiert man die Kommentare von Theologen und Religionsphilosophen über andere Religionen, gewinnt man regelmässig den Eindruck, dass die Autoren die anderen Religionen nicht wirklich verstehen und es bei der Auseinandersetzung mit anderen Religionen oft gar nicht um ein echtes Verständnis, sondern eher um eine Rechtfertigung des eigenen Überlegenheitsanspruchs bzw. um ein wenig reflektiertes Festhalten an eigenen Dogmen geht. Das gilt übrigens nicht nur für die Kommentare christlicher Autoren. 

Die faire Beurteilung anderer Religionen bedingt eine jahrelange Auseinandersetzung mit deren Inhalten

Es ist bereits eine grosse Herausforderung, das eigene religiöse System in seiner vollen Tiefe zu verstehen. In der Regel sind dazu jahrelange Studien und eine intensive Auseinandersetzung mit den Glaubensinhalten und mit sich selbst notwendig.

Die faire und kompetente Beurteilung einer anderen Religion setzt ebenfalls ein jahrelanges Studium und die praktische Auseinandersetzung mit dem entsprechenden spirituellen Pfad voraus. Es ist deshalb eine Frage der Redlichkeit, eine andere Religion erst nach einem vertieften Studium nicht nur der entsprechenden Philosophie, sondern auch ihres Entstehungskontextes sowie ihrer praktischen Umsetzung zu beurteilen. 

Religionen können nur aus sich selbst heraus begriffen werden

Dabei ist zu beachten, dass jede Religion auf einem in sich geschlossenen Modell einer umfassenden Welterklärung mit einer je eigenen Symbolik (Metaphorik, Sprache, Grammatik) basiert, die nur aus sich selbst heraus begriffen werden kann. Einzelne Autoren postulieren denn auch, dass die Kontexte der einzelnen Religionen radikal verschieden sind (Relativismus, Inkommensurabilität) bzw. dass jede Religion ihr eigenes Heilsziel hat und deshalb nicht mit anderen Religionen vergleichbar ist (Parallelismus, polyzentrischer Pluralismus).

Solche Positionen haben ihre Berechtigung, v.a. angesichts der grossen Herausforderung, eine fremde Religion fair und kompetent zu beurteilen. In der Praxis werden solche Ansätze freilich oft dazu verwendet, den Überlegenheitsanspruch der eigenen Religion philosophisch abzusichern. 

Ansatz: Transformation auf eine Metaebene

Ein möglicher Ansatz könnte darin bestehen, die innere Essenz der verschiedenen Religionen auf eine Metaebene zu transformieren und dort anhand spezifischer Kriterien zu betrachten (Kriteriologie). Dazu müsste die Symbolik der einzelnen Religionen aufgeschlossen und in eine neue, allgemein akzeptierte Symbolik bzw. Sprache überführt werden. Die Chancen für ein solches Projekt stehen jedoch nicht gut, gelingt es doch oft nicht einmal, innerhalb einer einzelnen Konfession ein gemeinsames Verständnis der eigenen Lehre zu erzielen, von anderen Konfessionen oder gar Religionen ganz zu schweigen. 

Literatur

Schmidt-Leukel Perry, Gott ohne Grenzen – Eine christliche und pluralistische Theologie der Religionen, Gütersloher Verlagshaus, 2005

Bernhardt Reinhold, Schmidt-Leukel Perry, Kriterien interreligiöser Urteilsbildung, Theologischer Verlag Zürich, 2005

Könemann Judith, Vischer Georg (Hrsg.), Interreligiöser Dialog in der Schweiz. Grundlagen – Brennpunkte – Praxis, Theologischer Verlag Zürich, 2008