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Anreizsysteme in Unternehmen

Die Anreizsysteme in Unternehmen motivieren oft nicht zu ethisch verantwortlichem Handeln. Sind sie wenigstens aus einer wirtschaftlichen Perspektive sinnvoll? Welche Alternativen gäbe es?

Inhaltsverzeichnis

Grundlage

Praktisch jedes grössere Unternehmen verfügt heute über ein Lohnsystem, das neben einem fixen einen variablen Lohnanteil (Bonus) vorsieht. In einigen Unternehmen wird der Bonus zusätzlich zum vertraglich vereinbarten Lohn gewährt, in anderen Unternehmen ist der vertraglich vereinbarte Lohn auf der Basis eines 100% Bonus definiert.

Die Höhe des Bonus wird in der Regel jährlich auf der Basis der persönlichen Leistung sowie der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens festgelegt. Im Idealfall werden beide Aspekte mittels messbarer Indikatoren bestimmt. Die persönliche Leistung wird dabei gegen die jährlich festgelegten persönlichen Ziele verglichen.

Positionsbezug: Bonussysteme auf dem Prüfstand

Von Seiten der Wirtschaft wird immer wieder behauptet, Bonussysteme und variable Lohnanteile seien ein notwendiges und erfolgreiches Mittel, um Motivation und Einsatz der Mitarbeitenden für das Unternehmen zu stärken. Es mag sein, dass ein gut austariertes System für ausgewählte Positionen, z.B. im Verkauf, eine positive Wirkung entfaltet. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die meisten Bonussysteme verschiedene negative Begleiterscheinungen aufweisen, die deren Nutzen fundamental in Frage stellen:

Motivationseffekt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Einen auf Jahresbasis abgerechneten Bonus oder variablen Lohnanteil empfinden die Mitarbeiter subjektiv als Lohnbestandteil. Wird der Betrag ausgeschüttet, mag sich der Mitarbeiter zwar freuen, Höhe und Dauer des Motivationseffekts sind jedoch beschränkt.

Fällt der Bonus jedoch weg, oder ist er trotz grossem persönlichem Einsatz kleiner als erwartet, ist die Frustration und damit auch die Demotivation des Mitarbeiters gross.

Abgesehen von einigen wenigen spezifischen Fällen (z.B. Verkaufsprovisionen) dürfte der Motivationseffekt gegenüber einer angemessenen Fixentlöhnung bescheiden oder gar negativ sein.

Wirtschaftlicher Nutzen

Ein schlecht konzipiertes Bonussystem führt zu kurzfristigen Optimierungen, die nicht immer zum Nutzen des mittel- bis langfristigen Gedeihens des Unternehmens gereichen. Es besteht ein Anreiz, Risiken einzugehen und Entscheide zu fällen, die sich langfristig nicht auszahlen.

Einzelne Indikatoren sind substanziell schädlich für ein Unternehmen: Eine Incentivierung nach dem ROE (Return on Equity) beispielsweise verführt zu einer Verdünnung der Eigenkapitaldecke (um den relativen Gewinn pro Aktie zu erhöhen). Das ist sowohl für die Wirtschaft als Ganzes als auch für das entsprechende Unternehmen ungesund und kann, wie die jüngere Geschichte zeigt, insbesondere im Bankengeschäft fatale Auswirkungen auf eine ganze Volkswirtschaft haben.

Auch eine Incentivierung nach langfristig gedachten Indikatoren wie z.B. dem Aktienkurs ist problematisch: Der mittelfristige Aktienkurs hängt stark vom wirtschaftlichen Gesamtumfeld und nur bedingt vom eignen Wirtschaften ab, d.h. ein solcher Bonus reflektiert nicht unbedingt die Leistung der entsprechenden Führungskraft. Zudem besteht der Anreiz, ohne substanziellen Nutzen oder gar auf Kosten des Unternehmens Windowdressing (‚Bilanzbeschönigung‘) zu betreiben, um die Anleger zu beeindrucken.

Auswirkung auf die Unternehmenskultur

Während hohe Boni bei den Kadern zu einer Kultur von Egoismus und Gier führen können, wirken sie auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter Umständen demotivierend. Die Unternehmenskultur und damit die Basis für langfristigen Erfolg leidet. Hohe Boni fördern zudem die sich öffnende Schere zwischen hohen und tiefen Einkommen, was aus sozialpolitischer Sicht unerwünscht ist.

Mögliche Alternativen

Guter Fixlohn

Die beste Option ist sicher, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an ihrer Arbeit Freude haben und eine gute intrinsische Motivation mitbringen, z.B. weil die Firma ein tolles Produkt am Markt hat, gute Arbeitsbedingungen bietet oder ein angenehmes Arbeitsklima hat. In diesem Fall reicht ein etwas überdurchschnittlicher Fixlohn aus, um gute Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten.

Spontanprämien

Eine Alternative zu Boni sind ein guter Fixlohn in Kombination mit Spontanprämien für gute Leistungen. Schliesst z.B. das Verkaufsteam einen guten Deal ab oder realisiert das IT-Team ein Projekt erfolgreich innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens, so kann diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine direkt auf die spezifische Leistung bezogene Anerkennung zugesprochen werden. Es sind verschiedene Formen von Spontanprämien denkbar, z.B. ‚Dinner for Two‘, Feriengutscheine oder Geldbeträge. Die Empfänger von Spontanprämien können zudem in der Mitarbeiterzeitschrift lobend erwähnt werden.

Auch die Vergabe von Spontanprämien muss durchdacht sein und nach gewissen Regeln ablaufen. Insgesamt dürfte der Motivationseffekt solcher Prämien jedoch gut sein – bei moderaten Kosten.

Fazit

Es kann notwendig sein, ein Bonussystem einzuführen, um als Arbeitgeber attraktiv zu erscheinen. Ob dabei Motivation und Produktivität der Mitarbeitenden entscheidend verbessert werden, ist fraglich. Es ist in jedem Fall eine grosse Herausforderung, ein System so zu gestalten, dass es in Summe eine positive Wirkung entfaltet – ohne zu viele negativen Nebenwirkungen zulasten des eigenen Unternehmens und/oder der Gesellschaft zu erzeugen.

Aus sozialer und spiritueller Perspektive gelten Gier und Egoismus als negative Werte. Ein System, das solchen Werten Vorschub leistet, ist aus dieser Sicht abzulehnen.

Es stellt sich die Frage, ob der Bereich nicht stärker gesetzlich reguliert werden müsste, z.B. über eine Begrenzung variabler Lohnanteile auf bestimmte Funktionen sowie die Festlegung einer Bonusobergrenze in Verhältnis zur Gesamtentschädigung.