Suche
Close this search box.

Herausforderung China

Bild von 9comeback auf FREEP!K
Weshalb China eine grosse Herausforderung für den Westen darstellt. Was aus ethischer und spiritueller Perspektive dazu zu sagen ist. Was wir tun könnten.

Inhaltsverzeichnis

Dokument zum Download: Schwarzbuch China, Warum China eine Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Welt darstellt, eine Warnschrift(pdf)

Zusammenfassung

Die Volksrepublik (VR) China möchte spätestens 2049, zur 100-Jahr-Feier der Volksrepublik, die grösste Volkswirtschaft der Welt sein und die Weltpolitik wenn nicht dominieren dann aktiv im eigenen Sinne mitgestalten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist das Land in einen weltweiten Systemwettbewerb eingetreten und setzt seine ökonomische, politische und vermehrt auch militärische Macht ein, um seine Interessen durchzusetzen. China sucht dabei auch Revanche für die Erniedrigungen, die es im Gefolge der Teilkolonialisierung durch westliche Staaten im 19. Jahrhundert erlitten hat. 

Die VR China ist zwar ökonomisch sehr erfolgreich, politisch aber eine totalitäre Parteidiktatur marxistisch-leninistischen Zuschnitts mit einer erschreckenden Menschenrechtsbilanz. Die Bürger werden mit modernsten technischen Mitteln engmaschig überwacht. Sämtliche Medien sind strikt zensiert und mit Parteipropaganda durchsetzt. Das Land wird von ausländischen Informationsquellen weit möglichst abgeschottet (‚Great Chinese Firewall‘). Die Gerichte sind Werkzeuge der Partei, ein unabhängiges Justizsystem existiert nicht. Traditionelle Kulturen, wie z.B. die tibetische und uigurische, werden systematisch zerstört und mit menschenverachtenden Methoden zwangs-sinisiert, z.B. in den Internierungslagern in Ostturkestan (Xinjiang), wo die Menschen Folter und einer Gehirnwäsche ausgesetzt sind. Religionsgemeinschaften werden in der Ausübung ihres Glaubens stark eingeschränkt. China versucht auch, geographisch zu expandieren. So beansprucht das Land 80 Prozent des Südchinesischen Meeres für sich, versucht, die Grenzverläufe mit Indien und Bhutan mit militärischen Mitteln zu seinen Gunsten zu verschieben und droht Taiwan unverhohlen mit einer militärischen Annexion.

Das Land nutzt die zunehmende wirtschaftliche Abhängigkeit anderer Länder, um seine Sichtweise und sein repressives System weltweit zu verbreiten. Dies geschieht zunehmend auch auf eine aggressive Art und mittels eines Systems von Belohnung und Bestrafung. Damit setzt China freiheitlich-demokratische Staaten unter Druck, sich den Ambitionen einer totalitären Parteidiktatur beugen. China ist somit zu einer echten Gefahr für freiheitlich-demokratische Länder geworden, die einerseits wirtschaftlich zunehmend von China abhängig sind, andererseits jedoch noch keine kohärente Strategie gegen den massiven Druck von chinesischer Seite gefunden haben. Der Ukrainekrieg hat uns die Risiken der Abhängigkeit von einer aggressiven Diktatur drastisch vor Augen geführt. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von China ist noch um ein Vielfaches grösser als diejenige von Russland. Wir sollten deshalb die Zeit nutzen und uns sukzessive von China weniger abhängig machen, um wirtschaftlichen und politischen Risiken zu verringern.

Im Folgenden werden die ethische und spirituelle Dimension der Situation diskutiert und Handlungsoptionen aufgezeigt. Im Anschluss finden sich weitere Informationen über die geschichtlichen, politischen und wirtschaftlichen Hintergründe.

Die ethische Dimension

Aus ethischer Sicht stehen die Regierungen und Unternehmen des Westens vor der Frage, wie sie wirtschaftliche Prosperität gegen Menschenrechte und den Druck auf ihre freiheitlich-demokratische Systeme gewichten sollen. In der neuen » China-Strategie des Schweizerischen Bundesrates ist dieses Dilemma gut erkennbar. Das Dokument thematisiert zwar die Menschenrechtsverletzungen und sieht eine Reihe von Zielen und Massnahmen vor. Es handelt sich dabei jedoch durchwegs um Massnahmen ohne signifikante Wirkung, denn man möchte die chinesische Führung nicht verärgern, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht zu gefährden.

Die deontologische Sicht

Bei einem deontologischen Ansatz von Ethik müsste ohne Rücksicht auf die möglichen Folgen getan werden, was Vernunft und Gewissen im Grundsatz als gut erkennen. Da die von der KPCh begangenen Menschenrechtsverletzungen aus ethischer Sicht schwer mit dem Gewissen zu vereinbaren sind, müsste sich der Westen aus einer streng deontologischen Perspektive (» deontologische Ethik) aus China zurückziehen bzw. die weitere Zusammenarbeit mit der chinesischen Führung von der unabhängig überprüfbaren Einhaltung ethischer Standards abhängig machen. Westliche Unternehmen und öffentliche Institutionen, wie z.B. die Universitäten, müssten per Gesetz gezwungen werden, sich aus China zurückzuziehen und alle Geschäftstätigkeiten mit China einzustellen. Die grossen wirtschaftlichen Folgeschäden und der Wohlstandsverlust würden dabei in Kauf genommen. Der Westen würde sich dafür nicht länger zum Komplizen eines menschenverachtenden Systems machen, wie dies heute der Fall ist.

Fazit

Aus einer rein deontologischen Perspektive müssten die freiheitlich-demokratischen Rechte, die Umweltbelastung oder die Menschenrechte in China höher gewichtet werden als der wirtschaftliche Nutzen. Ein kompletter Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen zu China bzw. dessen Androhung hätte jedoch vermutlich keine oder eher negative Auswirkungen auf die Menschenrechtslage vor Ort, denn die chinesische Führung hätte nun noch weniger Anreiz, auf westliche Befindlichkeiten wenigsten ein bisschen Rücksicht zu nehmen.

Die teleologische bzw. utilitaristische Sicht

Aus einer teleologischen bzw. utilitaristischen Perspektive (» teleologische Ethik) muss abgewogen werden, bei welcher Art von Beziehung zu China die positiven Folgen für alle Beteiligten überwiegen. Dazu müssten die positiven und negativen Folgen der Beziehungen zu China erst identifiziert und dann gewertet werden.

Mögliche positive Folgen

  • Wirtschaftliche Prosperität sowohl im Westen als auch in China selbst.
  • Durch die wirtschaftlichen Verflechtungen sinkt tendenziell das Risiko von militärischen Konflikten, da beide Seiten viel zu verlieren haben.

Mögliche negative Folgen

  • Der durch die wirtschaftliche Abhängigkeit bedingte potenzielle politische Druck auf unsere freiheitlich-demokratischen Systeme (Erpressbarkeit).
  • De-Industrialisierung und Abfluss von Industrie-Knowhow aus dem Westen.
  • Erhöhte Umweltbelastung durch Energieerzeugung in China mittels Kohlekraftwerken und lange Transportwege.
  • Gefährdete Versorgungssicherheit bei lebensnotwendigen Gütern durch politische oder militärische Konflikte oder dem Unterbruch von Transportwegen.
  • Die technologische Abhängigkeit von China in Schlüsseltechnologien (z.B. 5G).

Abwägung

Die für einen teleologischen bzw. utilitaristischen Ansatz typische Herausforderung besteht darin, die möglichen Folgen eines Entscheids gegeneinander abzuwägen. Durch einen vollständigen Rückzug des Westens aus China würde zunächst ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden sowohl im Westen als auch in China entstehen. Zudem hat China 2021 mit dem Anti-Sanktionsgesetz ein Instrument geschaffen, auf dessen Basis ausländische Firmen bestraft werden können, wenn sie sich an den Sanktionen der EU oder der USA gegenüber China beteiligen. Wirtschaftskreise lobbyieren denn auch für eine zurückhaltende Politik gegenüber China (z.B. Martin Hirzel, Präsident von Swissmem im Juli 2021). Auf der anderen Seite könnte ein Rückzug positive Effekte auf die Umwelt, auf die Versorgungssicherheit, auf die Bewahrung von Knowhow sowie auf die industrielle Produktion und damit auf die Beschäftigung im Westen haben. 

Einfluss auf die Menschenrechtslage  

Ob sich mit einem Rückzug oder Sanktionen die Menschenrechtslage in China  verbessern würde, ist hingegen fraglich. Die Durchsetzung der Zero-Covid-Politik zeigt exemplarisch, dass die chinesische Führung den Befindlichkeiten der Bürger und der Haltung des Westens wenig Gewicht beimisst. Würde der Westen die Menschenrechtsverletzungen in China wirksam sanktionieren, würden diese vermutlich noch besser getarnt und mögliche Informationskanäle in den Westen noch strikter kontrolliert werden.  

Fazit

Aus einer rein utilitaristischen Perspektive würde der Nutzen des wirtschaftlichen Erfolgs vermutlich höher gewichtet als die freiheitlich-demokratischen Rechte, die Umweltbelastung oder die Menschenrechte in China, zumal ein Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen zu China die Situation vor Ort kaum positiv verändern würde. Die Unternehmen aus dem Westen würden bei diesem Ansatz weiterhin versuchen, aus dem China-Geschäft soviel wie möglich herauszuholen und dabei versuchen, einerseits den Sensibilitäten in China Rechnung zu tragen (z.B. keine Werbung mit dem Dalai Lama), andererseits möglichst nicht direkt mit Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang gebracht zu werden (z.B. durch eine Fabrik in der Uiguren-Provinz Xinjiang).

Die diskursethische Sicht

Beim diskursethischen Ansatz (» Diskursethik) müssten alle Stakeholder an den Tisch geholt werden und in einem fairen Dialog zu einem Konsens kommen. Der Ansatz setzt freilich voraus, dass alle relevanten Stakeholder zugelassen und zu einem fairen Diskurs bereit sind. Diese Voraussetzungen sind in China nicht gegeben, denn ein echter Diskurs könnte zu einer Aufweichung der Parteilinie führen. Das würde von der KPCh niemals geduldet. Dissidenten, ethnische Minderheiten und religiöse Gruppen würden zudem kaum zu einem solchen Diskurs zugelassen – man hätte es nur mit offiziellen Parteivertretern zu tun. Die KPCh würde versuchen, den Diskurs wo immer möglich für ihre Propaganda zu nutzen und ihre Sicht mit allen Mitteln durchzusetzen.

Aus dem gleichen Grund kann auch der sogenannte ‚Menschenrechtsdialog‘ der Schweizer Regierung nicht funktionieren. Die Meinung eines westlichen Kleinstaats dürfte die chinesische Führung kaum interessieren, geschweige denn beeindrucken – da macht sich die offizielle Schweiz etwas vor. Die Schweiz hat keine relevanten Druckmittel in der Hand um ein autoritäres und dogmatisches Regime zu einem echten Dialog zu bewegen, schon gar nicht zu so heiklen Themen wie den Menschenrechten. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass keine greifbaren Ergebnisse aus dem jahrzehntelangen Dialog bekannt sind. Die Vermutung, dass es sich hier um eine reine Alibi-Übung zum Schutz wirtschaftlicher Interessen, zur Befriedigung des Ehrgeizes der Beteiligten sowie zur Beruhigung des Schweizervolks handelt, ist nicht abwegig.

Fazit

Ein diskursethischer Ansatz ist im gegebenen Fall nicht zielführend, da die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht gegeben sind, nämlich ein fairer Diskurs auf Augenhöhe unter Einbindung aller relevanter Stakeholder.

Diskussion

Die bereits andernorts dargestellten Schwächen des deontologischen und des teleologischen Ansatzes werden auch im Fall von China sichtbar. Während die deontologische Sicht radikale Massnahmen ohne Rücksicht auf (wirtschaftliche) Verluste nahelegt, besteht bei einer teleologischen Betrachtung die Gefahr, dass die wirtschaftliche Prosperität höher gewichtet wird als die Erhaltung unseres freiheitlich-demokratischen Systems und die Durchsetzung von Menschenrechten. Die Schwäche der Diskursethik besteht darin, dass niemand zu einem konstruktiven Dialog gezwungen werden kann. 

Durch die Kombination von verschiedenen ethischen Ansätze könnte man zum folgenden Schluss kommen:

Um einen weltweiten militärischen Konflikt zu vermeiden und um globale Themen wie den Klimawandel und Seuchen gemeinsam anzugehen, sollte der Westen mit China im Dialog bleiben.

Handel und industrielle Produktion westlicher Unternehmen in China können grundsätzlich bestehen bleiben (kein Decoupling). Die wirtschaftliche Abhängigkeit von China sollte aber auf ein unterkritisches Mass reduziert werden (De-Risking), so dass der Westen nicht über wirtschaftliche Retorsionsmassnahmen erpressbar wird. Das setzt voraus, dass das Chinageschäft für die Mehrzahl v.a. der grossen Unternehmen nicht eine für deren Existenz kritische Dimension annehmen darf.

Westliche Unternehmen sollten sorgfältig mit dem eigenen Know-How umgehen und ihren technologischen Vorsprung nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

Die einzelnen Unternehmen sollten sich aus ethisch fragwürdigen Aktivitäten, wie z.B. der Verwendung von Baumwolle aus Xinjiang, heraushalten. Ein stiller Rückzug ist dabei im aktuellen Kontext die taktisch beste Lösung.

Der Westen sollte chinesische Desinformations- und Propagandakampagnen sowie die Beeinflussungsversuche der chinesischen Seite auf die Interpretation von Demokratie und Menschenrechten in weltweiten Gremien vehement bekämpfen und alle vertretbaren politischen Massnahmen ergreifen, um die Menschenrechtssituation in China zu verbessern.

Die spirituelle Dimension

Die von der KPCh propagierte marxistisch-leninistische Ideologie ist grundsätzlich anti-religiös und atheistisch. Das ist u.a. dem philosophischen Fundament des Marxismus-Leninismus, dem ‚dialektischen Materialismus‚ geschuldet. Parteimitgliedern ist die Ausübung einer Religion deshalb weitgehend untersagt. Wie unten aufgezeigt, ist die freie Religionsausübung in China auch für Nicht-Parteimitglieder stark eingeschränkt. Als Begründung wird die ‚politische Stabilität‘ ins Feld geführt. De facto gründen die Einschränkungen vermutlich eher in der Angst der KPCh vor Kontrollverlust. Religiöse Gruppen haben ihre eigene Sichtweise und konkurrenzieren damit die Deutungshoheit der Partei. Sie können schnell sehr gross werden und netzwerkartig über das ganze Land verteilt sein (Beispiel: Falun Gong). Dies versucht die KPCh wenn immer möglich zu verhindern, denn es soll in China, und möglichst auch in allen anderen Ländern dieser Welt, nur eine Sichtweise geben, nämlich diejenige der KPCh. Eine in einzelne Individuen und Kleinfamilien zersplitterte areligiöse Gesellschaft lässt sich wesentlich einfacher indoktrinieren und kontrollieren als eine religiöse Gruppe mit ihrer eigenen Sichtweise und Lebensphilosophie. Kommt hinzu, dass China in der Vergangenheit mit dem Taiping-Aufstand (siehe unten) eine sehr leidvolle Erfahrung mit einer sektiererischen religiösen Bewegung mit politischen Ambitionen gemacht hat. 

Aus spiritueller Sicht sind die atheistische Erziehung und Staatspropaganda sowie die massiven Einschränkungen der freien Religionsausübung insofern problematisch, als sie es den Menschen erschwert, einen Zugang zu ihrer eigenen Spiritualität zu finden, authentische religiöse Belehrungen zu erhalten und ihre Spiritualität im Alltag zu leben. Die Menschen werden somit eines fundamentalen Menschenrechts beraubt.

Spiritualität ist ein inhärentes, wenn auch nicht immer bewusstes Bedürfnis der Menschen. Aus diesem Grund dürfte sich das religiöse und spirituelle Leben nach dem Ende der repressiven Phase wieder erholen, so wie dies z.B. in Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion der Fall war.

Geschichtliche und politische Hintergründe

Niedergang der Qing-Dynastie

Chinas Geschichte des 19. Jahrhunderts ist geprägt vom langsamen Niedergang des alten Kaiserreichs der Qing-Dynastie. Dieser Niedergang wurde begleitet von zahlreichen Volksaufständen sowie den Demütigungen durch militärische Interventionen verschiedener Westmächte, die zum Ziel hatten, den chinesischen Markt für ihre Produkte zu öffnen. Stichworte dazu sind der » Erste Opiumkrieg (1839 – 1842), der » Zweite Opiumkrieg (1856 – 1860) sowie der » Boxeraufstand (1900). In allen drei Konflikten wurden dem Kaiserreich Verträge zu dessen Nachteil aufgezwungen (Ungleiche Verträge). Diese Konflikte bilden auch heute noch die Basis für ein anti-westliches Narrativ der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh).

Im » Taiping-Aufstand (1851 – 1864) wurde das Kaiserreich durch eine religiöse Gruppierung mit zunehmend politischem Anspruch unter dem selbst ernannten Mystiker Hong Xiuquan herausgefordert. Hong Xiuquan entwickelte seine antimandschurische, religiöse und sozialrevolutionäre Lehre nach Kontakten mit christlichen Missionaren. Der Taiping-Aufstand forderte über 20 Millionen Menschenleben und war somit der opferreichste Bürgerkrieg der Menschheitsgeschichte. Einmal abgesehen von der üblichen Abneigung von Sozialisten und Kommunisten gegenüber Religion ganz allgemein (Konkurrenz zur eigenen Ideologie),  mögen die Erfahrungen aus dem Taiping-Aufstand mit ein Grund für die gnadenlose Verfolgung und Zerschlagung der Falun Gong Bewegung, der Church of Almighty God und weiterer religiöser Gruppen sein. 

Zeit zwischen der Xinhai-Revolution und dem Sieg von Mao Zedong

Im Jahr 1911 dankte der letzte Kaiser im Zuge der Xinhai-Revolution ab. Die Zeit bis zur offiziellen Machtübernahme durch die KPCh unter Mao Zedong im Dezember 1949 war durch Machtkämpfe, politische Wirren und bürgerkriegsähnliche Zustände geprägt. Von 1927 – 1949 fand der ‚Chinesische Bürgerkrieg‘ statt, in dem die Kuomintang unter Chiang Kai-shek und die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) unter Mao Zedong um die politische Führung im Land kämpften.

Zudem eroberte Japan von der Mandschurei aus weite Teile von China und errichtete in Nordchina vorübergehend den Staat ‚Mandschukuo‘ (1932 – 1945) mit dem vormaligen Kaiser als Marionetten-Herrscher. Da sich China zu diesem Zeitpunkt mitten im Bürgerkrieg befand, war eine wirksame koordinierte Gegenwehr erschwert. Die Japaner begingen während der Besetzung Chinas schwere Kriegsverbrechen an der chinesischen Zivilbevölkerung, was das Ansehen von Japan in China bis heute nachhaltig schädigt, zumal die Kriegsverbrechen bis heute geleugnet oder heruntergespielt werden.

Der Bürgerkrieg wurde schliesslich von der Volksbefreiungsarmee unter Mao Zedong für sich entschieden. Chiang Kai-shek und seine Getreuen zogen sich nach Taiwan zurück und gründeten dort die ‚Republik China‘. Unter der diktatorischen Führung von Chiang Kai-shek wurden im Sinne einer ‚Entwicklungsdiktatur‘ die Wirtschaft und das Bildungssystem gefördert. Dabei wurde weiterhin ein Anspruch auf ganz China erhoben. Nach über vier Jahrzehnten autoritärer Einparteienherrschaft durch die Kuomintang wurde 1987 das Kriegsrecht aufgehoben und ein Demokratisierungsprozess eingeleitet. Dieser hat Taiwan zu einem wirtschaftlich erfolgreichen Staat mit einer lebendigen Demokratie gemacht, der heute als liberal-demokratisches Gegenmodell die autoritäre Führung der KPCh herausfordert.

Machtübernahme der KPCh und „Der Grosse Sprung nach vorn“

Die Zeit nach der Machtübernahme durch die KPCh war durch Säuberungen, Kollektivierung von Privateigentum und der ‚Erziehung‘ des Volks geprägt. Der zweite Fünfjahresplan (1958–1962) wurde unter dem Begriff „der Grosse Sprung nach vorn“ bekannt. Als Folge der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft sowie  der Zusatzbelastung der Bauern durch utopische Industrialisierungsprojekte und Arbeiten an Infrastrukturen sanken die landwirtschaftlichen Erträge dramatisch. Dies führte zur „Grossen Chinesischen Hungersnot“, die von 1959 bis 1961 dauerte und deren Opfer auf 15 bis 45 Millionen Menschen geschätzt werden. Das macht sie zur bisher tödlichsten Hungersnot in der Geschichte der Menschheit. Diese Entwicklung war nur möglich, weil die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) seit ihrer Machtübernahme 1951 jeden Widerstand im Volk mit brutaler Gewalt gebrochen sowie alle Kritiker und (potenziellen) Gegner im Rahmen von systematischen Säuberungsaktionen entweder eingesperrt oder umgebracht hatte. Nach Anpassungen in der (Land-)Wirtschaftspolitik verbesserte sich die Versorgungslage ab 1961 kontinuierlich. 

Die „Grosse Proletarische Kulturrevolution“

Zwischen 1966 und 1976 versank China in den „Zehn Jahren Chaos“ der „Kulturrevolution“. Die von Mao und seinen engsten Verbündeten gestartete politische Kampagne hatte vordergründig zum Ziel, kapitalistische und traditionalistische Tendenzen in der Gesellschaft durch eine Fortsetzung des Klassenkampfs zu beseitigen. Es sollte ein „neuer Mensch“ geschaffen werden, ein ’selbstlose Gemeinschaftswesen‘ in einer „herrschaftsfreien Gesellschaft“. Zur Erreichung dieses Ziels sollten die ‚vier Relikte‘ zerstört werden: alte Gedanken, alte Kultur, alte Gebräuche und alte Gewohnheiten. An ihre Stelle sollten die ‚Mao-Zedong-Ideen‘ treten (man beachte die Parallele zu den „Xi-Jinping-Gedanken“). In Tat und Wahrheit ging es um den Machterhalt sowohl der KPCh als auch von Mao selbst, der nach dem Scheitern des Grossen Sprungs nach vorn politisch unter Druck stand. Im Zuge der von massiven Menschenrechtsverletzungen und politischen Morden begleiteten Kulturrevolution, verloren vermutlich an die 20 Millionen Menschen das Leben. Darüber hinaus waren viele Millionen Menschen schwerwiegenden physischen und psychischen Misshandlungen ausgesetzt, landeten in Gefängnissen und Arbeitslagern oder wurden zur Zwangsarbeit in entlegene Gegenden des Landes verbannt. Im Dezember 1978 wurde der für seinen Pragmatismus bekannte Deng Xiaoping zum obersten Führer Chinas. Deng startete die Reform und Öffnung des Landes. 

Reformen und Öffnung

Deng Xiaoping und seine Nachfolger fuhren die Planwirtschaft zurück, öffneten das Land und modernisierten die Infrastrukturen. In den letzten 40 Jahren konnte sich China deshalb, u.a. dank der Globalisierung, wirtschaftlich enorm entwickeln. Die Armut konnte stark reduziert und der Lebensstandard, v.a. in den urbanen Zentren, erheblich verbessert werden. Infrastrukturen wie Strassen, Eisenbahnen, Häfen, etc. wurden systematisch ausgebaut und haben mittlerweile an vielen Orten europäisches Niveau. Die KPCh und ihre „Freunde“ im Westen weisen denn auch gerne darauf hin, dass die chinesische Führung bzw. die KPCh in den letzten 30 Jahren 800 Millionen Menschen aus der Armut befreit habe.

Dabei ist freilich zu bedenken, dass dieselbe Partei, die sich heute dieser Fortschritte rühmt, diese durch realitätsferne Utopien während Jahrzehnten gewaltsam verhindert hat, indem sie die Menschen aus ideologischer Verblendung und zum Erhalt der eigenen Macht in Armut und Elend gehalten hat. 

Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte ist nicht dem Verdienst der KPCh, sondern der durch Deng Xiaoping eingeleiteten wirtschaftlichen Liberalisierung, dem Fleiss und der Geschäftstüchtigkeit der Chinesinnen und Chinesen sowie der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Westen zu verdanken.

Hinzu kommen verschiedene unfaire Praktiken von Seiten Chinas (Diebstahl von geistigem Eigentum, Handelshemmnisse). Man betrachte in diesem Zusammenhang etwa Taiwan oder Südkorea, die sich im gleichen Zeitraum  sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich sehr gut entwickelt haben – wohlgemerkt ohne kommunistischen Parteiapparat. Das Verdienst der KPCh besteht deshalb schwergewichtig darin, die wirtschaftliche Entwicklung des Landes nicht mehr aktiv behindert zu haben.

Der Wandel in China wurde von Politik und Wirtschaft in Europa und den USA begrüsst und für das eigene wirtschaftliche Wachstum genutzt. Dabei wurde übersehen, dass sich die totalitäre politische Struktur des Landes nicht grundlegend verändert hat. Dem westlichen Goldrausch konnte nicht einmal das » Tian’anmen-Massaker viel anhaben. Bei der gewaltsame Niederschlagung der Protestbewegung im Juni 1989 kamen vermutlich mehrere tausend mehrheitlich junge Menschen ums Leben. Einer der Hauptverantwortlichen für das Massaker war Deng Xiaoping. Mit Xi Jinping ist heute ein Generalsekretär an der Macht, der im Hinblick auf die Öffnung des Landes und politische Freiheiten einen sehr restriktiven Kurs fährt. 

China als Herausforderung für den Westen

China ist eine totalitäre Parteidiktatur mit stark eingeschränkten persönlichen Freiheiten

Bei allen Fortschritten darf nicht vergessen werden, dass China nach wie vor eine durch die marxistisch-leninistische Ideologie geprägte totalitäre Parteidiktatur ist.

Gemäss marxistisch-leninistischer Ideologie dient der Staat nicht den Menschen, sondern die Menschen haben dem Kollektiv zu dienen. Das einzelne menschliche Leben hat in diesem Kontext keinen inhärenten Wert, den es zu schützen gilt. Menschen können deshalb beliebig ‚geopfert‘ werden, um die (vermeintlichen) Ziele des Kollektivs zu erreichen. Im Marxismus-Leninismus wird das Kollektiv durch die Partei bzw. deren Führung repräsentiert. Letztere besteht in China aus einer sehr mächtigen, sehr reichen und hoch korrupten Nomenklatura („Roter Adel“). Die Vertreter der Nomenklatura haben keinerlei Interesse an Veränderungen, die ihre Macht und ihren Reichtum in Frage stellen könnten.

Die gesamte politische und militärische Macht ist auch heute noch in den Händen der KPCh konzentriert. Partei und Führung haben trotz äusseren Zugeständnissen an den westlichen Lebensstil weder ihre grundlegende Ideologie noch ihren umfassenden Machtanspruch aufgegeben. Zentrale westliche Werte wie Menschenrechte und Demokratie werden explizit abgelehnt. Begründet wird dies damit, dass China ein armes Land sei und ‚das Recht auf Entwicklung‘ zurzeit Vorrang vor einer ‚westlichen‘ Vorstellung von Menschenrechten haben müsse. 

Nach einer Zeit des wirtschaftlichen Aufbruchs wurde die marxistisch-leninistische Doktrin unter dem repressiven Regime von Xi Jinping in den letzten Jahren wieder sichtbarer. Die aktuelle Führung hat in jungen Jahren die Kulturrevolution und deren Schrecken am eigenen Leib erfahren. Dennoch erklärt sich der aktuelle Generalsekretär, Xi Jinping, unbeirrt als Verehrer von Mao. Zur Erinnerung: der ‚Grosse Vorsitzende‘ Mao wird für 20 bis 45 Millionen Tote durch Hungersnöte, Bestrafungsaktionen und politische Säuberungen verantwortlich gemacht. Die korrupte Parteielite weiss genau, dass sowohl die eigene Macht als auch die Macht der Partei labil sind und jederzeit zu Ende sein können – mit unabsehbaren Folgen für die Betroffenen und ihre Familien. Es überrascht deshalb nicht, dass viele Parteikader erhebliche Vermögenswerte ins Ausland geschafft haben und viele ihrer Kinder im Westen leben.

Die Partei und ihre Exponenten haben in der Vergangenheit verschiedentlich bewiesen, dass ihnen jedes Mittel recht ist, um Macht und Pfründe abzusichern, auch wenn dies den Tod und das Verderben von Millionen von Menschen zur Folge haben sollte. Daran hat sich nichts verändert. Das sollten wir im Westen endlich zur Kenntnis nehmen. Wir sollten uns nicht von wirtschaftlichen Kennzahlen und der Glitzerwelt von Metropolen wie Shanghai und Shenzhen blenden lassen. Das wäre naiv und kann dazu führen, dass uns China dereinst dominieren wird.

Das alles haben wir, geblendet von den wirtschaftlichen Möglichkeiten, eine Zeit lang aus den Augen verloren. Bei allen Mängeln, die unsere westlichen freiheitlich-demokratischen Systeme aufweisen, verfügen diese über ein erhebliches Mass an Soft-Power, nicht nur gegenüber den Menschen im eigenen Land. Parteidiktaturen wie China sind aufgrund ihrer totalitären Ideologie hingegen gezwungen, auf die wenig attraktive Macht ihrer Sicherheitskräfte (‚Hard-Power‘) bzw. auf Überwachung, Einschüchterung und Propaganda zu setzen, um ihr System am Leben zu erhalten. Für die KPCh stellt deshalb bereits das blosse Vorhandensein erfolgreicher, freier und demokratischer Systeme eine existenzielle Bedrohung dar, zumal wenn sie in unmittelbarer Nachbarschaft liegen, wie z. B. Taiwan, Südkorea, Japan und Australien. 

Es ist in diesem Kontext nachvollziehbar, dass die chinesische Führung mittels Propaganda und Indoktrination ab dem frühesten Kindheitsalter versucht, die westlichen Demokratien gegenüber dem eigenen System als schwach, chaotisch und letztlich unterlegen darzustellen. Dies funktioniert umso besser, je weniger das eigene Volk die Möglichkeit hat, sich anderweitig zu informieren. Mittels der ‚Great Chinese Firewall‘ wird China deshalb von westlichen Medien weitgehend abgeschottet.

Viele Politiker und Wirtschaftsführer im Westen können nicht verstehen, dass mit den ideologisierten Repräsentanten eines totalitären Systems kein rationaler Dialog möglich ist, schon gar nicht, wenn damit indirekt die Basis ihrer Macht und ihres Reichtums in Frage gestellt wird.

Solange die KPCh mit ihrer marxistisch-leninistischen Ideologie an der Macht ist, wird die friedliche Koexistenz mit der VR China eine grosse Herausforderung für den Westen bleiben, zumal die aktuelle Führung der Volksrepublik die Ambition hat, ihrem System weltweit Anerkennung und Verbreitung zu verschaffen. 

Allmächtiger Überwachungsstaat ohne rechtsstaatliches Fundament

Dank moderner technischer Überwachungsmethoden lässt sich der Machtanspruch der Partei heute besser durchsetzen als je zuvor. Die Chinesinnen und Chinesen werden in einem für Menschen in Europa schwer vorstellbaren Ausmass überwacht, kontrolliert und indoktriniert. Jede Kritik am System, an der KPCh oder ihren Exponenten kann drakonische Strafen zur Folge haben. Die betroffenen Personen werden mit aller Härte zum Schweigen gebracht, jahrelang eingesperrt oder verschwinden gänzlich.

Eine wichtige Errungenschaft demokratischer Länder sind klare Rechtsvorgaben sowie die Gewaltenteilung in Gesetzgebung (Legislative), Umsetzung (Exekutive) und Rechtswesen (Judikative). Dieses Prinzip, das den Bürgern einen gewissen Schutz vor der Willkür staatlicher Organe bietet, ist in China nicht einmal als Konzept anerkannt, geschweige denn umgesetzt. Die Regeln sind oft bewusst unklar formuliert, was rechtliche Grauzonen sowie die Möglichkeit einer willkürlichen Auslegung schafft. 

Ein unabhängiges Rechtswesen existiert nicht. Die Gerichte sind Werkzeuge der Partei, die das Justizsystem dazu einsetzt, sich die Gesellschaft zu unterwerfen. Willkürliche Inhaftierungen und Tötungen ohne Gerichtsverfahren sowie die physische und psychische Vernichtung von unliebsamen Personen durch Folter und Todesstrafe sind übliche Verfahren im Umgang mit ‚unerwünschtem‘ Verhalten.

Über das Konzept der ‚Sozialen Harmonie‘ soll das chinesische Volk nach Vorgaben der Partei umgeformt werden. Dazu wird mittels Schaffung von gläsernen Bürgern die totale Kontrolle über die Menschen angestrebt.

Mittels zentraler Speicherung und Verknüpfung sämtlicher über eine Person verfügbarer Daten (Einkäufe, Zahlungsverhalten, Einhaltung der Gesetze, Verhalten im Internet, Gebrauch sozialer Medien, Reisen, soziales Verhalten, Strafregister, Behördengänge usw.) wird für jeden Bürger und jede Bürgerin ein ‚Social Credit‘ ermittelt. Je nach Punktestand wird den betroffenen Menschen das Recht abgesprochen, Schnellzüge zu nutzen, Flüge zu buchen, ins Ausland zu reisen, Schulen zu besuchen oder gut bezahlte Stellen zu erhalten. Das System basiert auf schwer durchschaubaren Algorithmen, ist infolge seiner Grösse und Komplexität intransparent, und es bestehen keinerlei Anfechtungsmöglichkeiten, wie dies in gesetzesbasierten Demokratien möglich wäre.

Ein weiteres Element zur umfassenden Kontrolle sind die Parteivertreter in Wohnanlagen und grösseren Unternehmen, die über regimekonformes Handeln wachen. Das Konzept erinnert an die ‚Blockwarte‘ bzw. ‚Blockleiter‘ der NSDAP in Nazideutschland und die ‚AKP‘ (Auskunftspersonen) in der DDR.

Das Konzept der universell gültigen Menschenrechte ist nicht akzeptiert

Die Volksrepublik China hat zwar 1948 der ‚Allgemeinen Erklärung der Men-schenrechte‘ zugestimmt, das der Erklärung zugrundeliegende Verständnis von universell bzw. weltweit gültigen Menschenrechten wird von der chinesischen Führung jedoch als ein ‚westliches‘ Konzept abgelehnt. Es wird in diesem Zusammenhang auf konfuzianisch geprägte ‚Menschenpflichten‘ verwiesen oder von ‚universellen‘ Menschenrechten im Sinne der KPCh gesprochen.

Die Vertreter der chinesischen Regierung bzw. der KPCh weisen denn auch jede Kritik an der Umsetzung der Menschenrechte als nicht den Fakten entsprechend oder als Einmischung in die inneren Angelegenheiten zurück.

Mittlerweile ist die VR China im UN-Menschenrechtsrat vertreten und versucht, ihr problematisches Verständnis von Demokratie und Menschenrechten international salonfähig zu machen. Diese Bemühungen fallen besonders bei wirtschaftlich abhängigen und politisch schwach legitimierten Regierungen mit einer fragwürdigen Menschenrechtsbilanz auf fruchtbaren Boden. Es ist nicht auszuschliessen, dass sich infolge dieser Dynamik die Kräfteverhältnisse mindestens in internationalen Organisationen zu Ungunsten des Westens entwickeln werden.

In seiner Rede an der Universität von Chengdu 2018 pries der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Verabschiedung der Menschenrechtsdeklaration als Lichtblick und Meilenstein in der Entwicklung der Menschheit und gemeinsame Basis für eine verbundene und gegenseitig abhängige Welt, äusserte jedoch Zweifel daran, ob man eine solche Übereinkunft heute noch schliessen könnte.

Sämtliche Medien werden rigide kontrolliert und zensuriert

Sämtliche Schulmaterialien und Medien stehen unter Kontrolle der Partei. Pressefreiheit ist faktisch inexistent. Im Jahr 2022 rangierte China auf der Rangliste der Pressefreiheit der » Reporter ohne Grenzen auf Rang 175 von 180. Ausländische Internetangebote, wie Social Media oder die Digitalausgaben europäischer und US-amerikanischer Tageszeitungen, werden mittels ausgeklügelter technischer Mittel, der ‚Great Firewall of China‘, blockiert. 

Auf diese Weise wird eine von der Parteipropaganda unabhängige Information der Bevölkerung praktisch verunmöglicht. In China tätige ausländische Medienschaffende werden unter Druck gesetzt, ihre Berichterstattung im Sinne der Partei zu gestalten. Andernfalls riskieren sie den Verlust ihrer Akkreditierung. Chinesischstämmige Medienschaffende riskieren selbst mit einem ausländischen Pass lange Haftstrafen.

Die australische Journalistin Cheng Lei, die für Chinas Staatsfernsehen arbeitete, wurde am 13. August 2020 in China festgenommen. Einen Monat später verliessen die letzten zwei australischen Korrespondenten China fluchtartig. Im Dezember 2021 wurde Haze Fan, eine chinesische Mitarbeiterin des Pekinger Korrespondentenbüros der Nachrichtenagentur Bloomberg, wegen Verdachts auf einen Verstoss gegen die nationale Sicherheit festgenommen. Ihr Schicksal ist bis heute ungeklärt. Am 31. März 2022 begann der Gerichtsprozess gegen Cheng Lei wegen ‚Geheimnisverrat‘. Dem australischen Botschafter wurde der Zutritt zum Gericht verwehrt. Es ist zu anzunehmen, dass es sich in beiden Fällen um reine Retorsionsmassnahmen ohne materielle Grundlage handelt. Faire Prozesse nach westlichen Massstäben sind nicht zu erwarten.

Die Great Firewall of China kann zwar mittels einer VPN-Verbindung umgangen werden. Inzwischen darf in China legal jedoch nur noch staatlich lizensierte VPN-Software verwendet werden, die solche Umgehungen faktisch unmöglich macht. Wer eine nicht lizensierte VPN-Software benützt, macht sich strafbar. 

Ethnische Minderheiten werden unterdrückt und zwangs-sinisiert

Volksgruppen, die historisch in ihren Heimatgebieten in der Mehrheit waren, werden mit menschenverachtenden Methoden zwangssinisiert. Bekannt sind z. B. die bereits Jahrzehnte andauernde Unterdrückung der tibetischen Bevölkerung sowie die KZ-ähnlichen Umerziehungslager in der Autonomen Region Xinjiang (von Uigurinnen und Uiguren als Ostturkestan bezeichnet), in denen Schätzungen zufolge rund eine Million Menschen uigurischer und kasachischer Ethnie zwecks Zwangsindoktrination unter offensichtlich schlimmsten Haftbedingungen interniert ist. Die Menschen in diesen zynisch als ‚Bildungszentren‘ bezeichneten Einrichtungen werden einer Gehirnwäsche unterzogen. Sie sollen ihrem islamischen Glauben sowie ihrer traditionellen Kultur abschwören und dafür die marxistisch-leninistische Doktrin der KPCh übernehmen. Die systematische Anwendung von Folter, die Vorenthaltung von Nahrung, Schlaf und Wärme sowie die Vergewaltigung von Frauen dienen der Brechung des Willens der eingesperrten Menschen.

Unter anderem dank Augenzeugen, die oft unter Lebensgefahr in den Westen geflohen sind, sind die Menschenrechtsverletzungen im Zuge der Unterdrückungs- und Assimilierungskampagne in Ostturkestan gut dokumentiert. Die Auswertung von Satellitenbildern durch die » Jamestown Foundation und andere lässt vermuten, dass die Gefangenen vermehrt für Zwangsarbeit eingesetzt werden, u. a. zur Herstellung von in den Westen exportierten Produkten (z. B. Baumwolle und Textilien). Die entsprechenden Berichte von westlichen Experten werden von der chinesischen Führung regelmässig als ‚Lügen‘ und ‚Propaganda‘ bezeichnet. Eine unabhängige Untersuchung der Lager durch Organisationen aus dem Ausland wird von der chinesischen Führung jedoch abgelehnt. Es ist zu vermuten, dass sie dafür gute Gründe hat.

Die nicht in Lagern lebenden Menschen uigurischer und kasachischer Ethnie in Ostturkestan werden möglichst lückenlos überwacht und unter Druck gesetzt, ihre Kultur und Religion aufzugeben. Wer nicht gehorcht, wird interniert oder ‚verschwindet‘ gänzlich. Frauen mit mehreren Kindern werden zwangssterilisiert. Religiöse Kultstätten werden zweckentfremdet oder abgerissen. Die Reisefreiheit der ethnischen Minderheiten ist innerhalb von China stark eingeschränkt, Reisen ins Ausland sind meist nicht möglich. Wer es dennoch wagt und bei einer Ausreise erwischt wird, muss mit einer langen Haftstrafe oder gar mit dem Tod rechnen.

Ein wesentliches Element der Sinisierungs-Strategie besteht darin, die Kinder bereits im frühen Kindergartenalter möglichst weit weg von ihrem angestammten Umfeld in Internaten zu unterrichten, wo sie einer systematischen Indoktrination und militärischem Drill ausgesetzt sind. Der Unterricht findet in Mandarin statt, die Schulung der traditionellen Sprachen wird systematisch behindert oder gar verboten. Ziel der Massnahmen ist eine Entfremdung der Kinder sowohl von ihren Familien als auch von ihrer Herkunftskultur. Diese Form der Sinisierung findet sowohl in Tibet als auch in Ostturkestan Anwendung. Die traditionelle Kultur ist bestenfalls noch in Form von Folklore zur Ergötzung des chinesischen Massentourismus akzeptiert.

Es gibt starke Indizien für die Absicht der chinesischen Führung, alle traditionellen lokalen Kulturen, Religionen und Sprachen möglichst auszulöschen und durch eine Han-chinesische Einheitskultur im Sinne der marxistisch-leninistischen Parteidoktrin zu ersetzen.

Dafür spricht auch, dass die Ansiedlung von Han-Chinesen in diesen Gebieten aktiv gefördert wird, während Tibeterinnen und Tibeter sowie Uigurinnen und Uiguren in andere Landesgegenden deportiert werden. Auch die Zwangssterilisation von Uigurinnen ist Teil dieser Strategie.

Ziel ist es, die ursprünglich ansässige Bevölkerung zur Minderheit im eigenen Land werden zu lassen.

Die Methode ist nicht neu, sie wurde bereits von Stalin systematisch angewendet. 

Exkurs: Kultureller Genozid und Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Gemäss dem ‚Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofes‘ sind „Verbrechen gegen die Menschlichkeit (…) schwerste Menschenrechtsverletzungen“. Gemäss Art. 7 des Römer Statuts handelt es sich bei diesen Verbrechen um Taten, 

„die im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung und in Kenntnis des Angriffs begangen werden und etwa folgende Handlungen umfassen können: vorsätzliche Tötung, Ausrottung, Versklavung, Vertreibung, Freiheitsentzug, Folter, Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, erzwungene Schwangerschaft, Zwangssterilisation, Verfolgung einer bestimmten Gruppe, zwangsweises Verschwindenlassen von Personen, etc.“

Inwiefern im formal-rechtlichen Sinn ein Genozid vorliegt, der zwangsläufig auch internationale Sanktionen zur Folge haben müsste, ist derzeit offen, d.h. die meisten politischen Institutionen und Entscheidträger drücken sich um eine klare Aussage. 

Die Genozid-Konvention der UNO ist differenziert und stuft folgende Handlungen als Genozid ein, wenn sie in der Absicht erfolgen, eine ethnische oder religiöse Gruppe vollständig oder teilweise zu zerstören:

  • Gezielte Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
  • Zufügung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitglieder der Gruppe;
  • Der Gruppe vorsätzlich Lebensbedingungen aufzuerlegen, die darauf abzielen, ihre physische Zerstörung im Ganzen oder teilweise herbeizuführen;
  • Auferlegen von Massnahmen, die dazu bestimmt sind, Geburten innerhalb der Gruppe zu verhindern;
  • Zwangsweise Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.

Gemäss dieser Definition muss also kein offensichtlicher Massenmord vorliegen. Es braucht nicht einmal die explizite Absicht, die uigurische oder tibetische Bevölkerung physisch vollständig auszulöschen. 

Juristisch stichhaltige Beweise für eine solche Absicht wären ohnehin nicht einfach zu erbringen. Angesichts von monströsen Genoziden in der Vergangenheit, wie z. B. der systematischen Vernichtung von 6 Millionen Juden durch das Nazi-Regime, wird der Begriff ‚Genozid‘ vorsichtig verwendet, um ihn nicht zu verwässern und damit die Verbrechen der Vergangenheit zu relativieren. Es kann sich dabei jedoch auch um eine bequeme Ausrede handeln, um sich gegenüber einem mächtigen und aggressiven Staat nicht politisch exponieren zu müssen.

Im Fall der uigurischen wie auch der tibetischen Bevölkerung gibt es ausreichend verlässliche Zeugenaussagen und auf staatlichen Dokumenten beruhende Belege, die eine Einschätzung als Genozid im Sinne der UNO Genozid-Konvention rechtfertigen würden. 

Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang z. B. die von Wissenschaftlern wie dem Anthropologen Adrian Zenz ausgewerteten offiziellen Dokumente.

Sowohl das kanadische als auch das niederländische und das litauische Parlament haben das Vorgehen in Ostturkestan per Mehrheitsentscheid als Genozid gewertet. Auch die vorherige wie die gegenwärtige US-Regierung unterstützen diese Einschätzung. Das US-Aussenministerium „prüft“ bereits seit längerer Zeit, ob die Genozid-Einstufung offiziell erhoben werden soll. Allerdings könnte diese Absicht aus politischen Gründen scheitern, denn die politische und v.a. wirtschaftliche Macht von China ist nicht zu unterschätzen. 

Wenn auch die Einstufung des Vorgehens der chinesischen Regierung in Tibet und Ostturkestan als Genozid im juristischen Sinne umstritten ist, so kann doch mit Sicherheit von einem kulturellen Genozid bzw. von einem Ethnozid gesprochen werden, im Zuge dessen schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden.

Religionsausübung wird systematisch behindert

Die in der Verfassung verankerte Religionsfreiheit besteht in der Realität nicht oder nur sehr eingeschränkt, denn religiöse Institutionen müssen eine Genehmigung der Partei einholen und erhebliche Einschränkungen hinnehmen. Die Partei verfügt z. B. Maximalzahlen von Mönchen und Nonnen sowie die erlaubte Anzahl und Standorte von religiösen Kultstätten.

Selbst die Kultstätten der registrierten Religionsgemeinschaften werden sinisiert. So werden an vielen Orten die Kirchen ihrer Kreuze und die Moscheen ihrer Kuppeln beraubt. Zudem wird an einer mit der Parteidoktrin kompatiblen Bibelübersetzung gearbeitet. Christliche Gruppen haben es als ‚ausländische Kulte‘ in dieser Hinsicht besonders schwer. Es werden aber auch jahrhundertealte buddhistische und daoistische Kultstätten zweckentfremdet oder abgerissen. 

Wer seine Religionsgemeinschaft nicht registriert bzw. keine Genehmigung der Partei erhält, muss mit drakonischen Strafen sowie der physischen Zerstörung seiner Kultstätten rechnen. Besonders betroffen von der religiösen Verfolgung sind die als unerwünschte ‚Kulte‘ (xie jiao) eingestuften Gruppierungen, wie z.B. die christliche Hauskirchen oder die Falun Gong Bewegung. Zeugenaussagen zufolge werden einzelne Mitglieder von Haus- und Untergrundkirchen in geheimen ‚Transformations‘-Zentren festgehalten und mit drakonischen Methoden dazu gebracht, ihrem Glauben abzuschwören. Ein Mitglied einer christlichen Hauskirche erzählte Radio Free Asia (RFA), dass es nach einer Razzia in seiner Kirche im Jahr 2018 fast 10 Monate lang in einem fensterlosen Raum festgehalten und während dieser Zeit vom Personal geschlagen, beschimpft und ‚psychisch gefoltert‘ worden sei. Solange man sich weigere, eine von den Behörden vorbereitete Aussage zu unterschreiben, werde man festgehalten und weiterhin geschlagen, so der Zeuge. 

In den Klöstern und Privathaushalten in Tibet ist der Besitz von Bildern des Dalai Lama streng verboten. Dafür müssen Portraits von Exponenten der KPCh aufgehängt werden. Mönche und Nonnen werden dazu gezwungen, eine politische Schulung zu durchlaufen, dem Dalai Lama abzuschwören und ein Bekenntnis zur Partei und zu China als ‚Vaterland‘ abzugeben. In den letzten Jahren wurden mehrere tausend Mönche und Nonnen u. a. aus den Klosterstädten Larung Gar und Yachen Gar vertrieben und zu militärischem Drill sowie einer patriotischen Umerziehung gezwungen.

Tibeterinnen und Tibeter, die sich für ihre Sprache und Kultur einsetzen, verschwinden oft für viele Jahre in Arbeitslagern. In vielen Fällen werden die Angehörigen über den Aufenthaltsort der Inhaftierten in Unkenntnis gelassen. Viele Inhaftierte stehen die Tortur nicht durch und werden gesundheitlich schwer angeschlagen entlassen. Viele der oft jungen Männer sterben kurz nach ihrer Entlassung. 

Die 1992 entstandene Falun Gong Bewegung erreichte mit ihren Qigong-Übungen viele Millionen Menschen (Schätzungen der chinesische Regierung sprachen 1999 von 70 bis 100 Millionen Praktizierenden). Bereits ab Mitte der 1990er Jahre wurde die Bewegung von der KPCh als Bedrohung wahrgenommen und 1999 schliesslich brutal zerschlagen. Schätzungen zufolge wurden dabei tausende Mitglieder ohne gesetzliche Grundlage inhaftiert, gefoltert und einer Gehirnwäsche unterzogen. Es gibt auch heute noch Falun Gong Anhänger in China. Werden sie erwischt, müssen sie mit langen Haftstrafen rechnen.

Unter Xi Jinping ist die Rückkehr zu einer systematischen Behinderung jeglicher Religionsausübung zu beobachten, wie sie für die marxistisch-leninistische Doktrin typisch und aus der Zeit der Kulturrevolution bekannt ist. Ziel der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) ist es, die absolute Macht und unhinterfragbare Deutungshoheit in allen Lebensbereichen zu behalten.

Lokale Kulturen und Religionen werden in ihrer Substanz vernichtet oder disneyfiziert, d. h. sie werden ihres inneren kulturellen und religiösen Gehalts beraubt und so zu blosser Folklore für den chinesischen Massentourismus degradiert. Siehe dazu auch die vielen Berichte auf » Bitter Winter

Die Chinesinnen und Chinesen sollen nicht zu Gott oder zu Buddha beten, sondern zur Partei und ihren Exponenten.

Systematischer Organraub auf der Basis von gezielter Tötung von politischen und religiösen Gefangenen sowie ethnischen Minderheiten (Uiguren, Tibeter)

Es gibt immer wieder Berichte, wonach politische Gefangene, inhaftierte Anhänger ‚unerwünschter‘ religiöser Gruppen (z.B. Falun Gong, christliche Hauskirchen), aber auch in Ostturkestans Internierungslagern festgehaltene Menschen gezielt ermordet werden, um ihnen Organe zu entnehmen und an zahlungskräftige In- und Ausländer zu verkaufen („Tötung auf Bestellung“). Die Berichte sprechen von einem für Spitäler und Ärzte lukrativen Organhandel.

Die Organe von Muslimen aus Ostturkestan seien dabei besonders bei Patienten aus der islamischen Welt beliebt, da sie als ‚halal‘ (rein bzw. erlaubt) gelten würden. Eine im American Journal of Transplantation publizierte Studie über eine umfassende Analyse von chinesisch-sprachigen medizinischen Publikationen stellt eine erhebliche Evidenz für die Praxis der Entnahme von vitalen Organen (z. B. dem Herzen) vor dem eindeutig festgestellten Hirntod fest. 

Einmal unabhängig von verschiedenen Zeugenaussagen sprechen u.a. folgende Indizien für den systematischen Organraub auf der Basis von gezielten Tötungen:

  • Es gibt eine auffällige Diskrepanz zwischen der offiziellen Zahl von 10’000 Organentnahmen, die die chinesische Regierung meldet und den Berichten der Krankenhäuser, wonach bis zu 100’000 Organe pro Jahr entnommen werden (Zahlen von 2019). Vor dem Hintergrund einer kulturell bedingten Aversion gegen Organspenden lässt die hohe Zahl auf unfreiwillige Spender schliessen.
  • Es besteht ein auffälliger Zusammenhang zwischen dem rapiden Anstieg der Organtransplantationen ab dem Jahr 2000 und dem Beginn der systematischen Verfolgung von Falun Gong Anhängern im gleichen Zeitraum.
  • An politischen Gefangenen, religiös Verfolgten sowie an inhaftierten Uiguren werden umfangreiche Gesundheitschecks durchgeführt, die nur dahingehend plausibel erklärt werden können, als sie der Identifikation von potentiellen Organspendern dienen.
  • Die VR China ist nach den USA weltweit das Land mit den meisten Organtransplantationen pro Jahr, wobei die Wartezeiten auf Spenderorgane sehr kurz sind. Dies ist unüblich und ein klares Indiz für die „Tötung auf Bestellung“.
  • Die chinesische Regierung bestreitet zwar erwartungsgemäss alle vorgebrachten Anschuldigungen, kann jedoch bislang (Stand: 2021) keinen glaubwürdigen Nachweis über die Herkunft der transplantierten Organe beibringen.

Quellen: American Journal of TransplatationInternationale Gesellschaft für Menschenrechte IGFMWikipediaDeutschlandfunk 

Es besteht eine erhebliche Evidenz dafür, dass in China unschuldige Menschen gezielt getötet werden, um deren Organe gewinnbringend zu verkaufen.

China expandiert geographisch

China erhebt Anspruch auf 80 Prozent des Südchinesischen Meeres und rechtfertigt dies damit, dass die vielen kleinen Inseln seit dem 2. Jahrhundert traditionell Bestandteil des chinesischen Territoriums seien. China versucht, über einseitig festgelegte Gebietsansprüche auf Kosten der Anrainerstaaten seinen Einfluss und den Zugriff auf die in diesem Gebiet vermuteten Rohstoffe auszudehnen. Die Ansprüche werden u. a. über die Schaffung von Militärstützpunkten auf durch Landaufschüttungen vergrösserten Atollen demonstriert. Die betroffenen Staaten, wie z. B. die Philippinen, haben häufig nicht die Mittel, sich gegen die Druckversuche Chinas angemessen zur Wehr zu setzen.

Zwischen China und Taiwan bestehen zwar enge wirtschaftliche und kulturelle Verflechtungen, Taiwan ist jedoch de facto ein unabhängiger, wirtschaftlich prosperierender und demokratischer Staat. Von der chinesischen Führung wird Taiwan dennoch als integraler Teil der Volksrepublik China angesehen. Da weltweit mittlerweile viele Staaten wirtschaftlich von China abhängig sind, wird Taiwan nur noch von wenigen Ländern offiziell als eigenständiger Staat anerkannt. Die Schweiz hat bereits 1950 mit der Anerkennung der Volksrepublik China de facto die Ein-China-Politik bestätigt. In seiner Rede vom 2. Januar 2019 drohte Staats- und Parteichef Xi Jinping Taiwan unverhohlen mit einer gewaltsamen ‚Wiedervereinigung‘. Ein unabhängiges Taiwan widerspreche dem Trend der Geschichte und werde in eine Sackgasse führen. Die chinesische Führung „behält sich die Option vor, alle erforderlichen Massnahmen zu ergreifen“ um die ‚Wiedervereinigung‘ Taiwans mit dem Festland zu erreichen. Diese sei im Interesse und zum Wohle der taiwanischen Landsleute. China wolle eine friedliche Wiedervereinigung erreichen, lasse aber „keinen Raum für separatistische Aktivitäten“. „Wir geben kein Versprechen ab, auf die Anwendung von Gewalt zu verzichten, und behalten uns die Möglichkeit vor, alle erforderlichen Mittel zu ergreifen“, stellt Xi klar. China versucht denn auch, Taiwan durch ständige militärische Bedrohung und verschiedene Schikanen mürbe zu machen, etwa durch die Beschränkung des Tourismus aus Festlandchina oder den Einsatz von Schiffen, die in taiwanesischen Gewässern Sand abgraben und die Fischerei behindern. Neuerdings setzt China auch als Fischerboote getarnte Kriegsschiffe ein. Es besteht die Befürchtung, dass China innerhalb der nächsten Jahre versuchen wird, Taiwan mit militärischen Mitteln zu annektieren – ungeachtet der politischen Folgen, der gewaltigen Kosten sowie der schwerwiegenden wirtschaftlichen Konsequenzen. 

Auch gegenüber Indien und Bhutan stellt China auf eine zunehmend aggressive Art Gebietsansprüche. Bekannt sind Grenzkonflikte im Nordosten von Ladakh (Kashmir) und in Arunachal Pradesh. Neuerdings erstellt China in den umstrittenen Grenzregionen zu Indien und Bhutan sogenannte ‚Wehrdörfer‘, um Druck auf die Nachbarstaaten auszuüben und militärisch nutzbare Infrastrukturen zu errichten.

Nepal läuft Gefahr, zu einem Satelliten von China zu werden. Ein Beispiel dafür ist die Kooperation der nepalesischen Behörden mit China, wenn es um die Abschiebung der nur noch vereinzelt in Nepal eintreffenden tibetischen Flüchtlinge geht. 

China arbeitet mit Schulden- und Geiseldiplomatie

Mittels des Seidenstrassenprojekts (Belt and Road Initiative) wird nicht nur ein Transportkorridor für Güter von Ost nach West geschaffen, sondern im Sinne eines ‚Einflusskorridors‘ auch eine Möglichkeit, politisch und wirtschaftlich Einfluss zu nehmen. Das Seidenstrassenprojekt wird u. a. dazu genutzt, Aufträge für den eigenen Bausektor zu generieren und andere Staaten über eine Schuldendiplomatie in Abhängigkeit zu bringen. So werden in verschiedenen Staaten in Europa, Afrika und Südamerika über Kredite finanzierte Infrastrukturen realisiert. Chinas staatliche Entwicklungsbanken haben dazu bis heute allein den Entwicklungsländern Darlehen von insgesamt rund 500 Milliarden US-Dollar gewährt.

Eine Gruppe internationaler Wirtschaftswissenschafter, u. a. des Institutes für Weltwirtschaft in Kiel (IfW), hat rund hundert solcher Kreditverträge unter die Lupe genommen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Verträge Geheimhaltungsklauseln enthalten, die verhindern sollen, dass die Konditionen an die Öffentlichkeit gelangen. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist Montenegro, das sich für ein fragwürdiges Autobahnprojekt mit 940 Millionen Euro bei China verschuldet hat und nicht in der Lage war, die erste Rate des Kredits termingerecht zurückzuzahlen. Die vor sechs Jahren mit der chinesischen Exim-Bank unterzeichneten Kreditverträge sind geheim und dürfen nicht einmal den Parlamentsabgeordneten von Montenegro offengelegt werden. 

Für die Absicherung der Kredite werden in der Regel entsprechende Garantien eingefordert. Diese können im Fall von Zahlungsausfällen z. B. den Zugriff auf strategische Infrastrukturen wie Häfen oder Transportwege bedeuten. Beispiele dazu sind der Hafen von Piräus in Griechenland, der Hafen von Hambantota in Sri Lanka sowie der Hafen von Darwin in Australien. Die VR China kann sich auf diese Art Brückenköpfe in anderen Ländern schaffen. 

Zudem bedingt sich China aus, den Vertrag zu kündigen und eine sofortige Rückzahlung einzufordern, wenn die Politik des Kreditnehmers nicht im Sinne der Partei ist. Durch die Finanzierung von Infrastrukturen gewinnt China in diesen Ländern an wirtschaftlichem und politischem Einfluss. Einige Länder, die von chinesischen Projekten bzw. Krediten abhängig sind, wie z. B. Ungarn und Griechenland, blockieren in der EU denn auch regelmässig jede gegen China gerichtete Massnahme oder Verlautbarung.

China scheut auch nicht vor Geiseldiplomatie zurück, wie sie normalerweise zum Rüstzeug terroristischer Organisationen gehört. Nachdem Kanada Ende 2018 auf Ersuchen der USA bzw. auf Basis eines Haftbefehls aus den USA die Finanzchefin von Huawei, Meng Wanzhou, festgenommen hatte, wurden kurz darauf zwei kanadische Staatsbürger in China unter fadenscheinigen Gründen verhaftet. Während sich Meng Wanzhou innerhalb eines gewissen Radius mehr oder weniger frei bewegen konnte, wurden die beiden Kanadier in einem Gefängnis unter nicht näher bekannten Haftbedingungen festgehalten. Im März 2021 wurde gegen die beiden Kanadier Anklage wegen Spionage erhoben. Im September 2021 wurde Meng nach einem Deal mit der US-Justiz freigelassen. Die beiden Kanadier wurden nur wenige Tage später ebenfalls freigelassen. Es fällt schwer, hier nicht von Geiseldiplomatie von Seiten Chinas zu sprechen. Das kann auch Bürgern anderer Länder blühen – selbst Schweizern. 

China exportiert sein autoritäres System

China versucht zurzeit, die eigene autoritäre und repressive Regierungsform als angeblich validen Gegenentwurf zu freiheitlich demokratischen Systemen unter anderem in UNO-Organisationen zu verankern. Die chinesische Führung hat dabei die Abneigung der Trump-Regierung gegen multilaterale Abkommen und den damit verbundenen vorübergehenden Rückzug der USA aus UNO-Gremien geschickt ausgenutzt.

Nun versucht China, in zentralen UNO-Gremien seiner Sicht zu Themen wie Demokratie und Menschenrechte zum Durchbruch zu verhelfen. China trägt heute 12 Prozent zum Uno-Budget bei. 4 von 15 UNO-Unterorganisationen werden bereits von chinesischen Staatsbürgern geführt. Die chinesische Führung strebt die Besetzung weiterer Führungsposten durch chinesische Staatsangehörige an.

China bemüht sich aktiv, die eigene Interpretation der Menschenrechte via internationale Gremien wie z. B. den Menschenrechtsrat als neuen Massstab zu etablieren und die westliche Vorstellung von Menschenrechten als rein ‚westliches Konzept‘ zu diskreditieren. Die chinesische Führung lehnt einen universellen Prüfungsmassstab ab. Dabei wird das ‚Recht auf Entwicklung‘ vorgeschoben, das höher zu gewichten sei als ‚westliche‘ Vorstellungen von Menschenrechten. Ein länderspezifisches Monitoring wird als Einmischung in innere Angelegenheiten abgelehnt. China gelingt es immer wieder, in UN-Menschenrechtsdebatten eine breite Unterstützung durch andere Staaten zu finden und damit das Konzept der universellen Menschenrechte in Frage zu stellen. 

China manipuliert mittels der Einheitsfront Entscheidungsträger im Westen

Im Rahmen der Einheitsfront nimmt die KPCh weltweit über tausende von Kulturvereinen Einfluss auf die im Ausland lebenden chinesischen Staatsangehörigen (z. B. Studierende) und versucht, die Mitglieder dieser Vereine auf Parteikurs zu halten. In Deutschland existieren beispielsweise rund 80 chinesische Studentenvereinigungen, die rund 60’000 Studierende aus der Volksrepublik China repräsentieren.

Die Vereine organisieren nicht nur Kulturveranstaltungen, sondern fungieren auch als Teil eines europaweiten Netzwerks von Organisationen, die von der KPCh kontrolliert werden. Sie unterstützen und verbreiten die Ideologie und die Ziele der KPCh und deren Narrativ über China. Sie versuchen auch sicherzustellen, dass chinesische Staatsangehörige im Ausland sowie andere Menschen chinesischer Herkunft der Partei gegenüber loyal bleiben. Das Netzwerk versucht jedoch nicht einfach nur mitzugestalten, was in Europa über China gesprochen und geschrieben wird, sondern auch Technologien und Expertise nach China zu bringen. 

Die Tätigkeiten der Einheitsfront werden dank der Aufklärungsarbeit engagierter Wissenschaftler, wie z. B. Ralph Weber von der Universität Basel, langsam sichtbar. Die VR China bemüht sich, über solche Aktivitäten Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft für ihre Sache zu gewinnen. Durch systematische Aktivitäten der Einheitsfront sollen unter politisch und wirtschaftlich einflussreichen Personen ‚Freunde Chinas‘ gewonnen werden; damit soll an zentralen Stellen ein chinafreundliches Klima erzeugt werden. Dabei spielen Gefälligkeiten und die Befriedigung von persönlichen Eitelkeiten eine wichtige Rolle, wie auch die Schaffung von Abhängigkeiten – z. B. durch wertvolle Geschenke oder den Einsatz von ‚Honigfallen‘, der Verführung durch attraktive Chinesinnen.

 Die 1945 gegründete Gesellschaft Schweiz-China (GSC) bezeichnet sich zwar als unabhängig, hat jedoch im Herbst 2019 auf Drängen der chinesischen Botschaft einen öffentlichen Vortrag von Ralph Weber, Professor am Europainstitut der Universität Basel, abgesagt, der sich kritisch mit der ideologisierten Sprache von Xi Jinping auseinandergesetzt hat. Im Vorstand der GSC finden sich verschiedene Personen mit wirtschaftlichen Interessen in China. Dies ist insofern relevant, als die GSC das Sekretariat der parlamentarischen Gruppe Schweiz-China führt. Das lässt auf eine starke Gewichtung wirtschaftlicher Interessen in der Diskussion der Parlamentarierinnen und Parlamentarier schliessen. 

Die wirtschaftliche Verflechtung der Schweiz mit China ist hoch. So sitzen chinesische Staatsbürger, die verschiedenen Fraktionen der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes (CPPCC) angehören, in den Verwaltungsräten von Nestlé, Credit Suisse, UBS und Swiss Re. Da die CPPCC der Einheitsfront zuzurechnen ist, hat die KPCh somit indirekt ein Mitspracherecht bei namhaften Schweizer Unternehmen und ist auch zeitnah über strategische Entscheide dieser Unternehmen informiert. Diese Verfilzung erhöht die Abhängigkeit der Schweiz von China und schränkt den politischen Spielraum ein.

Es wirkt in diesem Zusammenhang bedenklich, wenn ein Bundesrat angesichts der breit verfügbaren Informationslage vor seiner Abreise nach China von ‚angeblichen‘ Menschenrechtsverletzungen spricht (Ueli Maurer, SVP, 2019) und ein anderer Bundesrat seinen China-Besuch so plant, dass er zu Propagandazwecken missbraucht werden könnte (Guy Parmelin, SVP, 2020). Es sind aber nicht nur Exponenten der SVP, die sich für China instrumentalisieren lassen: Thomas Wagner (FDP) ist ein ‚Freund Chinas‘, Claude Béglé (Die Mitte) lässt sich gerne nach Tibet einladen, Doris Leuthard (Die Mitte) und Johann Schneider-Ammann (FDP) gaben sich beeindruckt von den ‚grossen Fortschritten‘ Chinas im Menschenrechtsbereich. Weitere prominente ‚Freunde Chinas‘ sind u.a. Franz Grüter (IT-Unternehmer und Nationalrat SVP) sowie Martin Hirzel (Präsident von Swissmem, dem Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie). 

Der Westen wird zunehmend erpressbar

China ist mittlerweile der wichtigste Handelspartner Deutschlands und der drittwichtigste Handelspartner der Schweiz, nach der EU und den USA. 2014 trat ein chinesisch-schweizerisches Freihandelsabkommen in Kraft, das u. a. Bestimmungen zum Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie zum Schutz des geistigen Eigentums, aber bestenfalls Lippenbekenntnisse zu Menschenrechten enthält. Das Abkommen sollte laufend angepasst werden, z. B. um für weitere Schweizer Produkte eine Zollbefreiung zu erlangen. Zudem besteht der Wunsch, auch Themen wie Nachhaltigkeit und Menschenrechte in das Abkommen aufzunehmen. Seit 2018 weigert sich China jedoch, das Freihandelsabkommen anzupassen. Bisher gelang es nicht einmal, sich auf eine Liste von zu verhandelnden Themen zu einigen. Als Grund für die Verweigerung wird die immer lautere Kritik in der Schweiz an der Menschenrechtslage in China angegeben.

Mit dem neuen Fünfjahresplan der Volksrepublik China wird das Ziel angestrebt, in wirtschaftlicher und technologischer Hinsicht vom Ausland möglichst unabhängig zu werden. Dazu soll einerseits der Binnenkonsum gefördert und andererseits die Abhängigkeit vom Exportgeschäft mit dem Westen reduziert werden (‚Politik der zwei Kreisläufe‘). Da sich China aber gleichzeitig vermehrt für die wirtschaftliche Tätigkeit westlicher Unternehmen öffnen möchte, entsteht eine ungesunde Asymmetrie der Abhängigkeiten, d. h. der Westen wird von China immer abhängiger, nicht aber umgekehrt. Das erhöht zwangsläufig die Hebelwirkung von wirtschaftspolitischen Druckversuchen von Seiten Chinas. 

Einst herrschte im Westen die Vorstellung, dass sich China aufgrund des wirtschaftlichen Fortschritts öffnen, liberalisieren und demokratisieren würde (‚Wandel durch Handel‘). Das Gegenteil ist eingetreten. Durch die mittlerweile sehr grosse wirtschaftliche Abhängigkeit von China werden die USA und Europa bis zu einem gewissen Grad politisch erpressbar. Das ist der chinesischen Führung sehr wohl bewusst. Ihre Gesandten im Westen treten denn auch zunehmend aggressiv und fordernd auf (z. B. Chinas ‚Wolfskrieger‘, die mit aggressiver Propaganda in sozialen Netzwerken agieren). Hinzu kommen noch die systematischen Einheitsfront-Aktivitäten zur gezielten Unterwanderung westlicher Eliten aus Wirtschaft, Politik und Forschung (siehe oben).

Unerwünschtes Verhalten wird konsequent mit wirtschaftlichen Retorsionsmassnahmen gekontert. So wurde beispielsweise im Mai 2020 Australiens Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung zum Ursprung des Corona-Virus mit massiven wirtschaftlichen Sanktionen beantwortet. Australische Einfuhren von Wein über Holz und Kohle bis zu Hummer wurden aus angeblich handels- und gesundheitstechnischen Gründen mit Einfuhrrestriktionen belegt. Die Massnahmen waren für Australien schmerzhaft, denn 40 Prozent der australischen Exporte gehen nach China und jeder 13. Arbeitsplatz hängt vom Geschäft mit China ab. Im Herbst 2020 hat China über inoffizielle Kanäle (Medien) eine Liste mit 14 Beschwerdepunkten bzw. Forderungen an Australien vorgelegt. „Sie beziehen sich auf Entscheidungen der australischen Regierung und zivilgesellschaftliche Aktivitäten, die die chinesische Führung verärgern. Die Liste umfasst unter anderem den Ausschluss von Huawei vom australischen 5G-Netz, Canberras Forderung nach einer internationalen Untersuchung der Ursprünge der Covid-19-Pandemie, Investitionsbeschränkungen, Gesetze zur Prüfung von Abkommen Chinas mit australischen Bundesstaaten, den Widerruf von Visa für chinesische Wissenschaftler, die staatliche Förderung eines chinakritischen Thinktanks sowie chinakritische Medienberichte.“ (MERICS, 2020)

Im Jahr 2021 verhängte China über Litauen sowie europäische Unternehmen, die in Litauen gefertigte Teile und Komponenten verwenden einen faktischen Handelsboykott, da das Land eine offizielle Niederlassung unter dem Namen ‚Taiwan‘ zugelassen hatte. Vergleichbare Niederlassungen in andern europäischen Staaten verwenden nur den Namen ‚Taipeh‘. Litauen hatte die chinesische Regierung bereits im Mai 2021 irritiert, als sich das Land aus dem 17+1-Format verabschiedete, mit dem Peking seinen wirtschaftlichen Einfluss in Mittel- und Osteuropa auszudehnen versucht. 

Was sind die möglichen Konsequenzen?

Wichtige Errungenschaften unserer freiheitlich-demokratischen Systeme, wie z. B. die freie Rede und die Pressefreiheit, könnten unter Druck geraten. Schon heute hat man manchmal den Eindruck, dass sich gewisse Medienschaffende in Bezug auf China in Selbstzensur üben, vor allem, wenn sie weiterhin nach China reisen möchten.

Über die Manipulation von Entscheidungsträgern durch die Einheitsfront findet auch eine indirekte politische Einflussnahme statt. So werden sich gewisse Parlamentarierinnen und Parlamentarier gegen jegliche Massnahmen wenden, die zu einer Verurteilung von China oder zu für China nachteiligen Massnahmen führen könnten.

Unterstützt werden könnte dieses Szenario noch durch die Androhung von Sanktionen gegenüber Schweizer Unternehmen in China. Je mehr Schweizer Unternehmen in China tätig sind und je wichtiger das China-Geschäft für das einzelne Unternehmen wird, umso grösser ist die Hebelwirkung solcher Massnahmen. 

China bemüht sich, die universellen Menschenrechte in ihrer Substanz auszuhöhlen. Diese Bemühungen fallen in Ländern mit einer ebenfalls zweifelhaften Menschenrechtsbilanz auf fruchtbaren Boden. Es ist denkbar, dass sich insbesondere im Rahmen von UNO-Gremien die Kräfteverhältnisse so verschieben werden, dass die allgemeinen Menschenrechte ihre Bedeutung als universell akzeptierter Standard für Menschlichkeit verlieren und als ’neokoloniales westliches Konstrukt‘ breite Ablehnung erfahren – zum Schaden der Menschen in diesen Ländern.

Wichtige Errungenschaften unserer freiheitlich-demokratischen Systeme, wie z.B. die freie Rede und die Pressefreiheit, könnten unter Druck geraten. Auch eine direkte politische Einflussnahme ist nicht auszuschliessen. Das wäre ein hoher Preis. 

Mögliche Massnahmen

Die Möglichkeiten der freiheitlich-demokratischen Staatengemeinschaft des Westens, positiv auf die Menschenrechtslage in China einzuwirken, sind begrenzt. Was möglich ist, sollte dennoch getan werden. Um dereinst nicht unter Druck zu geraten, das autoritäre politische System der VR China mindestens teilweise zu übernehmen, muss sich der Westen aktiv gegen wirtschaftliche und politische Druckversuche aus China immunisieren – aktiver, als dies heute der Fall ist. Ein wichtiges Mittel dazu ist eine Verringerung der wirtschaftlichen Abhängigkeit von China. Folgende Massnahmen sind denkbar: 

Auf der Ebene von Staat und staatlichen Institutionen

Kündigung des Freihandelsabkommens der Schweiz mit China

Die VR China ist der drittwichtigste Handelspartner der Schweiz, nach der EU und den USA. 2014 schloss die Schweiz als bisher einziges europäisches Land neben Island ein Freihandelsabkommen mit der VR China ab. Seit 2018 weigert sich China, dieses anzupassen, z. B. bei der Zollbefreiung für weitere Schweizer Produkte. Bisher gelang es nicht einmal, sich auf eine Liste von zu verhandelnden Themen zu einigen. Als Grund für die Verweigerung wird die immer lautere Kritik in der Schweiz an der Menschenrechtslage in China angegeben.

Die von verschiedenen Seiten geforderte Ergänzung des Abkommens um Regelungen zu den Menschenrechten ist deshalb im aktuellen Kontext unrealistisch. Sie zielt auch am Problem vorbei. Die meisten in China involvierten europäischen Unternehmen sind aus Reputationsgründen schon heute bestrebt, nicht mit Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang gebracht zu werden und agieren entsprechend vorsichtig. Zudem lässt sich die Einhaltung der Menschenrechte in China aufgrund der strikten Kontrolle der Informationsflüsse kaum überprüfen. Es ist zu befürchten, dass solche Ergänzungen des Freihandelsabkommens eine blosse Alibifunktion haben würden, ansonsten aber wirkungslos blieben. Sie würden im Gegenteil beiden Seiten, d. h. sowohl der Wirtschaft aus dem Westen als auch der chinesischen Führung, die Möglichkeit einräumen, unter Verweis auf diese Ergänzungen weiterzumachen wie bisher. Ausser der zunehmenden Abhängigkeit der Schweiz von China würde sich nichts ändern. Im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Akteuren aus der VR China gibt es noch weitere kritische Aspekte:

Asymmetrie der Abhängigkeiten

Freier Handel hat in aller Regel einen für alle Seiten wohlstandsvermehrenden Effekt und ist grundsätzlich positiv zu werten, wenigstens solange Herstellung und Handel unter fairen Bedingungen stattfinden und sich die Handelspartner auf Augenhöhe begegnen. Während China im neuen Fünfjahresplan die mittelfristige Unabhängigkeit vom Westen in Wirtschaft und Technologie festgeschrieben hat (‚Politik der zwei Kreisläufe‘), sind Schweizer Unternehmen immer zahlreicher und stärker in China engagiert. Die Schweiz wird damit wirtschaftlich immer abhängiger von China, nicht aber umgekehrt. Das ist eine ungesunde Asymmetrie von Abhängigkeiten. Die zunehmende wirtschaftliche Abhängigkeit von einem aggressiven, expansiven und totalitären Staat, der die Wirtschaft skrupellos als Machtinstrument einsetzt und die Menschenrechte mit Füssen tritt, stellt ein Risiko für unsere freiheitlich-demokratische Kultur dar. Es ist nicht auszuschliessen, dass diese Abhängigkeit von der chinesischen Führung dereinst ausgenutzt wird, um politische Forderungen durchzusetzen. Kurz: Die Schweiz wird erpressbar.

Verlust von Knowhow und unfaire Konkurrenz

Durch die Auslagerung wichtiger Herstellprozesse nach China geht bei uns auch das damit verbundene Knowhow teilweise verloren. Das führt nicht nur zu Abhängigkeiten, sondern auch zur Konkurrenzierung unserer Industrie durch Produkte, die in China nur dank unserem Knowhow hergestellt werden können und anschliessend bei uns (teilweise zu Dumpingpreisen) auf den Markt kommen. Inwiefern die Preise von Gütern aus China tatsächlich die realen Herstellkosten widerspiegeln oder vom Staat verordnete Dumpingpreise darstellen, lässt sich zudem kaum überprüfen. Die EU war vor einigen Jahren beispielsweise gezwungen, ihre Solarbranche durch Anti-Dumping- und Anti-Subventionszölle auf Solarmodulen aus China vor dem Kollaps zu bewahren. Es steht der Verdacht im Raum, dass China die Solarmodule bewusst zu Dumpingpreisen anbot bzw. anbietet, um die europäische Konkurrenz auszuschalten. Zudem ist davon auszugehen, dass bei den meist in Ostturkestan (Xinjiang) hergestellten Solarmodulen Zwangsarbeit eingesetzt wird.

Umweltbelastung

Das Outsourcing nach China ist wegen des hohen Kohleanteils in der lokalen Energieerzeugung sowie der langen Transportwege auch aus ökologischer Sicht problematisch. Die Importe aus China erhöhen unseren CO2-Fussabdruck indirekt massiv.

Risiken bei den Lieferketten

Die Lieferprobleme im Zuge der Corona-Pandemie haben gezeigt, wie anfällig dieses System auf Störungen in den Lieferketten reagiert. Die damit verbundenen Mehrkosten durch höhere Transportkosten, Lieferverzögerungen den Kunden gegenüber, höhere Lagerkosten sowie eine höhere Kapitalbindung im Nettoumlaufvermögen fressen einen guten Teil des Kostenvorteils des Outsourcing nach China auf.

Risiko einer schweren Wirtschaftskrise infolge von Sanktionen

Im Rahmen der Invasion von russischen Truppen in die Ukraine im Februar 2022 hat der Bundesrat beschlossen, die Sanktionen der EU zu übernehmen. Der Entscheid wird von der Mehrheit der Schweizer Bevölkerung mitgetragen. China ist für die Schweiz der ungleich wichtigere Handelspartner als Russland. Es ist zu befürchten, dass China in den nächsten Jahren versuchen wird, Taiwan mit militärischen Mitteln zu annektieren. Falls dieses Szenarium tatsächlich eintrifft, wird die Geschäftstätigkeit westlicher Unternehmen in China stark erschwert, wenn nicht gar grundlegend in Frage gestellt. Es wäre mit erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen zu rechnen. Dennoch bauen westliche Unternehmen das Chinageschäft weiter aus und erhöhen so nicht nur ihre eigene Risiken sondern auch das Risiko einer schweren Wirtschaftskrise.

Fazit

Das Freihandelsabkommen bietet einen starken Anreiz, die Geschäftstätigkeit in China auszubauen und die Risiken auf eine unverantwortliche Weise weiter zu erhöhen. Um die wirtschaftliche Abhängigkeit und die damit verbundenen potenziellen Risiken für unser Land zu verringern, sollten das Freihandelsabkommen mit China gekündigt und moderate Zölle für chinesische Produkte und Halbfabrikate eingeführt werden. 

Investitionsverbot

Die Schweiz ist arm an natürlichen Ressourcen. Umso wichtiger sind unsere Innovationskraft und unser technisches Knowhow. Investitionen von chinesischen Investoren in Schweizer Unternehmen bergen die Gefahr eines Abflusses von Knowhow und Innovationen nach China. Das kann unsere Position im globalen Konkurrenzkampf schwächen und zu Wohlstandseinbussen führen. Da sich in China kein Unternehmen dem Einfluss der Partei entziehen kann, ist bei Übernahmen von Schweizer Unternehmen durch Investoren aus China mindestens indirekt immer auch die KPCh involviert. Das sollte v. a. bei kritischen Infrastrukturen, Grossunternehmen und Unternehmen mit Schlüsseltechnologien unbedingt vermieden werden. Über Investitionen in kritische Infrastrukturen und Unternehmen des Service Public hat ein fremdes Land die Möglichkeit, uns unter Druck zu setzen oder gar zu sabotieren. Zu fordern ist deshalb:
1. ein generelles Verbot der Übernahme von kritischen Infrastrukturen sowie für die Versorgung der Schweiz zentraler Unternehmen des Service Public durch ausländische Investoren und
2. ein Verbot der Übernahme von Unternehmen ab einer bestimmten Grösse sowie von Unternehmen mit Schlüsseltechnologien durch (staatsnahe) ausländische Investoren („Lex China“). 

Lieferkettengesetz: Importverbot für Güter, zu deren Herstellung mit grosser Wahrscheinlichkeit Zwangsarbeit angewendet wird

Es ist bekannt, dass in chinesischen Straflagern Produkte hergestellt werden, die zum Teil in den Export gehen, sei es als Fertigprodukte oder Komponenten von solchen. Die Auswertungen von Satellitenbildern aus Xinjiang (Ostturkestan) legen die Vermutung nahe, dass die KZ-ähnlichen Umerziehungslager mit Arbeitsstätten gekoppelt sind, die textile Produkte und weitere Waren auch für den Export herstellen. Da diese Produkte unter sklavenähnlichen Umständen hergestellt werden, können sie auch zu einem tiefen Preis exportiert werden. Einmal abgesehen von den menschenverachtenden Umständen ihrer Herstellung, schaden solche Produkte auch unserer Wirtschaft, die gegen Dumping-Preise nicht konkurrenzieren kann. Dies fördert die Deindustrialisierung unseres Landes, was Wohlstand und Arbeitsplätze gefährdet. Der Import von Produkten aus Xinjiang sollte deshalb gesetzlich verboten werden. 

Offizieller Abbruch des sog. „Menschenrechtsdialogs“

In der neuen China-Strategie des Bundesrates werden die Menschenrechtsverletzungen in China thematisiert. Allerdings sind, ausser dem bereits in der Vergangenheit geführten Menschenrechtsdialog, keine weiteren Massnahmen geplant. Die 1991 etablierten Gespräche wurden jedoch bereits 2019 von China einseitig beendet und bis heute nicht wieder aufgenommen.

Gespräche hinter verschlossenen Türen (stille Diplomatie) verunmöglichen eine Kontrolle durch unabhängige Dritte. Somit kann der Nutzen solcher Gespräche nicht überprüft werden. Es ist zu befürchten, dass der Dialog bisher nur wenig bewirkt hat und dass angesichts der vernachlässigbaren Grösse und Relevanz der Schweiz für China mit diesem Ansatz auch in Zukunft kaum Erfolge zu erzielen sind. Die Schweizer Politik überschätzt ihren Einfluss massiv, wenn sie vorgibt, dass sich durch eine Fortführung des Menschenrechtsdialogs in China etwas ändern könnte.

Der Menschenrechtsdialog kann vielmehr von beiden Seiten dazu benutzt werden, den Status Quo mit Hinweis auf laufende Gespräche zu rechtfertigen. Letztlich handelt sich also um eine reine Alibiübung, die zudem von der chinesischen Führung propagandistisch ausgeschlachtet werden kann.

Der Ansatz ist im besten Fall naiv, eher aber dient er als Alibi zum alleinigen Schutz von reinen Wirtschaftsinteressen. Ein sicheres Indiz für letzteres ist das Einstehen von Wirtschaftsvertretern mit China-Bezug für diesen Dialog. So setzen Wirtschaftsvertreter wie z. B. Franz Grüter (Unternehmer und Nationalrat), Martin Hirzel (Präsident von Swissmem, dem Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie) sowie Jean-Philippe Kohl (Vizedirektor und Bereichsleiter Wirtschaftspolitik bei Swissmem) auf stille Diplomatie.

Wenn man einen echten Dialog mit China auf Augenhöhe führen wollte, müsste dieser mindestens auf der Ebene der EU mit Beteiligung der Schweiz stattfinden. Ob sich China zu einem solchen Dialog bereit erklären würde, ist zurzeit aber mehr als fraglich. 

Unterstützung der EU-Sanktionen

Als Reaktion auf die umfassende Verletzung der Menschenrechte in Xinjiang (Ostturkestan) hat die EU Sanktionen gegenüber ausgewählten chinesischen Funktionären verhängt. China hat erwartungsgemäss sofort mit Gegensanktionen reagiert. Solche Sanktionen können auch einmal die Schweiz treffen.

Zur Erinnerung: 2010 wurden im Zuge der Vergabe des Friedensnobelpreises an den Dissidenten Liu Xiaobo die diplomatischen Beziehungen zu Norwegen für mehrere Jahre auf Eis gelegt und erst nach einem demütigenden Kniefall der norwegischen Regierung wieder reaktiviert. Auch Schweden, Australien und jüngst Litauen haben bereits unliebsame Erfahrungen mit Retorsionsmassnahmen gemacht. 2020 wurde Australiens Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung zum Ursprung des Corona-Virus mit massiven wirtschaftlichen Sanktionen beantwortet. 2021 verhängte China über Litauen sowie europäische Unternehmen, die in Litauen gefertigte Teile und Komponenten verwenden einen faktischen Handelsboykott, da das Land eine offizielle Niederlassung unter dem Namen ‚Taiwan‘ zugelassen hatte. Die Verhaftung der Finanzchefin von Huawei, Meng Wanzhou, in Kanada im Jahr 2018 führte zur Inhaftierung von zwei kanadischen Staatsbürgern, die bis zur Freilassung von Meng im Herbst 2021 unter fadenscheinigen Gründen in China festgehalten wurden, de facto als Geiseln.

Ähnliches kann auch der Schweiz bzw. Schweizer Bürgerinnen und Bürgern zustossen. Es ist deshalb wichtig, dass wir uns in diesem Punkt mit der EU solidarisch zeigen. Eines Tages könnte die Schweiz in Bezug auf China ihrerseits auf die Solidarität der EU angewiesen sein, z.B. wenn Schweizer Bürger in China festgehalten werden. 

Offizielle Deklaration der Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang (Ostturkestan) als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ gemäss Art. 7 des Römer Statuts

Gemäss dem ‚Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofes‘ sind „Verbrechen gegen die Menschlichkeit (…) schwerste Menschenrechtsverletzungen.“ Gemäss Art. 7 des Statuts handelt es sich bei diesen Verbrechen um Taten „die im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung und in Kenntnis des Angriffs begangen werden und etwa folgende Handlungen umfassen können: vorsätzliche Tötung, Ausrottung, Versklavung, Vertreibung, Freiheitsentzug, Folter, Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, erzwungene Schwangerschaft, Zwangssterilisation, Verfolgung einer bestimmten Gruppe, zwangsweises Verschwindenlassen von Personen, etc.“

Es gibt starke Indizien dafür, dass die chinesische Führung im Rahmen ihrer Sinisierungskampagnen darauf hinarbeitet, durch physische und psychische Formen der Unterdrückung traditionelle Kulturen wie die uigurische, tibetische und andere gezielt auszulöschen. Die in diesem Zusammenhang erfolgende systematische Anwendung von Freiheitsentzug, Folter, Vergewaltigung, Zwangssterilisation und Trennung der Kinder von den Eltern zwecks Indoktrination in Xinjiang und Tibet ist ausreichend durch verlässliche Zeugenaussagen und Dokumente, teilweise auch offizieller Herkunft, belegt. 

Klare Regelung der Zusammenarbeit mit China auf akademischer Ebene

Für die an natürlichen Rohstoffen arme Schweiz sind Forschung und Bildung sowie internationale Kooperationen im akademischen Bereich ein zentraler Wohlstandsfaktor. Die Zusammenarbeit mit chinesischen Universitäten kann der Forschung und Lehre auf beiden Seiten interessante Impulse vermitteln. In gewissen Ländern, wie z.B. den USA, leisten chinesische Studenten zudem einen wichtigen Beitrag an das Budget der oft privaten Universitäten. Viele westliche Universitäten sind denn auch Kooperationen mit chinesischen Universitäten eingegangen. Zehntausende von chinesischen Staatsbürgern studieren und forschen an europäischen, amerikanischen, kanadischen und australischen Universitäten. Tausende Studenten und Doktoranden aus dem Westen studieren und forschen an chinesischen Universitäten, teilweise sogar mit einem Stipendium des chinesischen Staates. Zudem findet auch ein Austausch auf der Ebene von Gastprofessuren statt.

Im Rahmen der ‚China Science Investigation‘ wurden auf Initiative der niederländischen Investigativplattform ‚Follow the Money‘ mit Unterstützung des deutschen Recherchezentrums ‚Correctiv‘ die akademischen Beziehungen zwischen Europa und China untersucht. Dabei konnten für die letzten 22 Jahre rund 350’000 Forschungskooperationen europäischer Hochschulen mit chinesischen Universitäten eruiert werden, wobei rund 3’000 dieser Kooperationen mit Forschern an chinesischen Militäruniversitäten stattfanden. Besonders gefragt ist u. a. die Forschung zu Drohnen- und Überwachungstechnologien sowie zur Weiterentwicklung von Radarsystemen. Dabei ist zu beachten, dass die chinesischen Militäruniversitäten über die Zentrale Militärkommission eng mit der Staats- und Parteiführung verbunden sind. Europäische Universitäten arbeiten selbst mit Universitäten wie der NUDT und der CAEP zusammen, die wegen Forschung, Entwicklung und Tests von Nuklearwaffen auf einer amerikanischen Sanktionsliste stehen.

Bereits 2016 mahnte der Nachrichtendienst der Schweiz zur Vorsicht vor Wirtschaftsspionage. Mittlerweile wurde die Warnung auf die Spionage im Rahmen der Wissenschaft ausgedehnt.

In der Zwischenzeit hat jedoch eine starke Politisierung der chinesischen Hochschulen eingesetzt. Die Hochschulen werden vermehrt für politisch-ideologische und militärische Zwecke instrumentalisiert. Studenten und Lehrkörper werden eng überwacht. Kritik am System wird nicht geduldet.

Die chinesischen Behörden versuchen auch, die im Ausland forschenden und studierenden Staatsbürger unter Kontrolle zu behalten und für die eigene technische und wirtschaftliche Entwicklung sowie für politische Zwecke nutzbar zu machen. So sind die chinesischen Studenten in zahlreichen chinesischen Studentenvereinigungen organisiert. Diese sind meist Teil der Einheitsfront, einer von der KPCh kontrollierten und weitverzweigten Organisation, die im In- und Ausland Individuen und Organisationen zugunsten von China beeinflussen und die chinesischen Staatsangehörigen im Ausland unter politischer Kontrolle halten soll.

Die chinesischen Studentenvereinigungen versuchen auch, meist mit Unterstützung der jeweiligen chinesischen Botschaft, China-kritische Aussagen und Veranstaltungen an westlichen Universitäten zu verhindern und im akademischen Betrieb die offizielle Meinung der KPCh durchzusetzen.

Je mehr westliche Universitäten finanziell, organisatorisch und akademisch von der Kooperation mit chinesischen Universitäten abhängen, umso grösser ist die Gefahr, dass Druckversuche von chinesischer Seite auf die Inhalte akademischer Publikationen sowie die Themenauswahl von Forschungsprojekten, Vorlesungen, Ausstellungen und Veranstaltungen erfolgreich sind – mindestens im Sinne einer Selbstzensur.

Die Anzahl Studenten, Doktoranden und Gastprofessoren sowie die Kooperationen mit chinesischen Universitäten sollten deshalb auf ein unterkritisches Mass beschränkt werden, um die Kraft von Druckversuchen, den Abfluss von Knowhow und den potenziellen Einfluss der Einheitsfront in der Schweiz zu minimieren. Zudem sollten die chinesischen Partner zur Einhaltung von Standards verpflichtet werden, die eine freie Forschung und Lehre ermöglichen. 

Keine Duldung von Konfuzius-Instituten und ähnlichen Organisationen an Universitäten

Mittels solcher Institutionen betreibt China gezielte Propaganda und versucht, Schweizerinnen und Schweizer zum Nutzen der KPCh zu indoktrinieren. 

Kündigung von Städtepartnerschaften mit chinesischen Städten

Städtepartnerschaften können von der chinesischen Seite propagandistisch instrumentalisiert werden. Zudem werden durch Gefälligkeiten unerwünschte Abhängigkeiten geschaffen, die den moralischen Druck erzeugen, sich mit Gegenleistungen zu revanchieren, etwa, wegzuschauen, wenn Mitarbeiter der chinesischen Botschaft friedlich demonstrierende Tibeterinnen und Tibeter physisch angreifen. So geschehen am Mondfest in Basel, 2014. Zur Erinnerung: Basel hat eine Städtepartnerschaft mit Shanghai. 

Keine Kooperationen mit chinesischen Organisationen

Staatliche oder vom Staat subventionierte Organisationen in der Schweiz sollten möglichst keine Kooperationen mit chinesischen Organisationen eingehen, denn diese werden in aller Regel über die Einheitsfront durch die KPCh kontrolliert. Ein Beispiel dafür sind die Schlösser Aargau, die über das Schloss Habsburg eine Kooperation mit einem Schloss in China abgeschlossen haben. Die entsprechende internationale Schlossorganisation in Lausanne wiederum ist dominiert von Chinesinnen und Chinesen, die der Einheitsfront nahestehen. 

Weitere mögliche Aktionsfelder

  • Verbot des Einsatzes chinesischer Technologie in kritischen Infrastrukturen (z.B. von Huawei in 5G-Netzwerken).
  • Keine Unterstützung des Staates (z.B. in Form einer Exportrisikogarantie) für Projekte im Rahmen der Belt & Road Initiative.
  • Aktive Unterstützung der Wirtschaft bei der Suche und dem Aufbau von Alternativen zu China als Produktionsstandort.
  • Verbot einer Geschäftstätigkeit mit Personen aus dem Führungskreis der KPCh sowie mit Personen, denen Menschenrechtsverbrechen, z.B. in Xinjiang, vorgeworfen werden.
  • Schaffung von Transparenz über den Einfluss von China im Westen (z.B. durch Organisationen und Personen der Einheitsfront) durch die staatliche Unterstützung von entsprechenden Forschungsprogrammen. Aktive Verbreitung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse in Wirtschaft und Gesellschaft. 

Auf der Ebene der einzelnen Unternehmen

Neugewichtung des Risk Exposure durch die Geschäftstätigkeit in China

Dies vor dem Hintergrund eines drohenden Kalten Krieges und den damit verbundenen Unsicherheiten. Entsprechende Anpassungen an der Unternehmensstrategie im Hinblick auf Zielmärkte und Lieferketten (Produktionsstandorte, Lieferanten). 

Verminderung der Abhängigkeit von China

Sicherstellung, dass das Engagement in China eine kritische Grösse nicht übersteigt (De-Risking). Kritisch bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ein Wegbrechen des Chinageschäfts oder die Aufgabe eines Produktionsstandorts in China ein Unternehmen in existenzielle Schwierigkeiten bringen würde. Deshalb sollte für Auslagerungen aktiv nach Alternativen zu China gesucht werden. Ins gleiche Kapitel fällt auch die Überprüfung der Lieferketten für Einkaufswaren im Hinblick auf die Abhängigkeit von China sowie die Suche nach alternativen Bezugsquellen, v.a. für kritische Komponenten (siehe auch unten: Schutz des geistigen Eigentums). Als Faustregel sollte gelten, dass nur in China entwickelt und produziert wird, was auch in China verkauft wird. 

Schutz des geistigen Eigentums

Sicherstellung, dass keine Zeichnungen, Chip Designs, Electronic Board Designs oder Source Codes von kritischen Produkten / Komponenten in China verfügbar ist. Solche Daten sollten nicht auf chinesischen Servern gespeichert werden. Chinesische Mitarbeiter ausserhalb von China sollten nur beschränkt und nur nach einer entsprechenden Sicherheitsprüfung Zugang zu solchen Daten haben. Rückverlagerung der Herstellung von kritischen Komponenten (z.B. Electronic Boards inkl. Software) nach Europa. Gründliche Background-Checks von chinesischen Bewerbern für kritische Positionen (z.B. in R&D, IT, Patentabteilung, Internal Audit) im In- und Ausland, um das Risiko von Industriespionage zu vermindern. 

Überprüfung der Lieferketten

Es ist bekannt, dass in chinesischen Straflagern Produkte hergestellt werden, die zu einem Teil in den Export gehen, sei es als Fertigprodukte oder Komponenten von solchen. Die Auswertungen von Satellitenbildern aus Xinjiang legen z.B. die Vermutung nahe, dass die KZ-ähnlichen Umerziehungslager in Xinjiang mit Arbeitsstätten gekoppelt sind, die möglicherweise auch Güter für den Export herstellen. Bekannt ist auch, dass der Schutz der Umwelt nicht immer europäischen Standards genügt, z.B. im Hinblick auf die Filterung/Entsorgung von giftigen bzw. umweltschädlichen Stoffen.

Wird ein westliches Unternehmen mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltskandalen in Zusammenhang gebracht, kann dies der Reputation schaden und auch negative Folgen für den wirtschaftlichen Erfolg haben. Die Lieferketten sollten deshalb auf potenzielle Risiken im Bereich Umwelt und Menschenrechte durchleuchtet werden. Dazu sollten mindestens die Schlüssel-Lieferanten einer regelmässigen und umfassenden Risikoanalyse unterzogen werden. Diese sollte neben den klassischen Kriterien wie Qualität, Lieferfähigkeit, Preise und Konditionen auch Risiken im Zusammenhang mit Umweltschäden sowie der Verletzung von Menschenrechten (z.B. Zwangsarbeit) enthalten. In die Analyse einbezogen werden sollten auch die wichtigsten Unterlieferanten dieser Lieferanten. Chinesische Lieferanten und soweit notwendig deren wichtigste Unterlieferanten sollten zudem mittels Lieferantenaudits vor Ort überprüft werden.

In die eigene Umweltberichterstattung sollte möglichst auch eine Abschätzung der Umweltbelastung durch Transporte und Energieverbrauch (Kohlekraftwerke) über die gesamte Lieferkette einfliessen. 

Auf individueller Ebene

Literatur

Kai Strittmatter, Die Neuerfindung der Diktatur – Wie China den digitalen Überwachungsstaat aufbaut und uns damit herausfordert, Piper 2018

Clive Hamilton, Mareike Ohlberg, Die lautlose Eroberung – Wie China westliche Demokratien unterwandert und die Welt neu ordnet, DVA 2020

Desmond Shum, Chinesisches Roulette – Ein Ex-Mitglied der roten Milliardärskaste packt aus, Droemer Knaur Verlag 2022

Sayragul Sauytbay & Alexandra Cavelius, Die Kronzeugin- Eine Staatsbeamtin über ihre Flucht aus der Hölle der Lager und Chinas Griff nach der Weltherrschaft, Europa-Verlag 2020

Alexandra Cavelius & Sayragul Sauytbay, China-Protokolle – Vernichtungsstrategien der KPCh im größten Überwachungsstaat der Welt, Europa-Verlag 2021