Suche
Close this search box.

Regeln und Gebote

Bild von NoName_13 auf Pixabay
Weshalb braucht es Regeln und Gebote? Was ist deren Essenz? Welches sind die zentralen Regeln der verschiedenen Religionen?

Inhaltsverzeichnis

Grundlage

Jede Religion kennt anzustrebende persönliche Eigenschaften und Werte sowie einzuhaltende Gebote und Verhaltensmaximen. Diese Regeln sind kein Selbstzweck. Deren Befolgung dient vielmehr dazu, ein positives gesellschaftliches und persönliches Umfeld zu schaffen, das den eigenen spirituellen Fortschritt begünstigt.

  • Aus dem Christentum sind die 10 Gebote und die 4 Kardinaltugenden bekannt. Paulus hat in seinem Brief an die Epheser eine Reihe von christlichen Tugenden aufgeführt.
  • Der Buddhismus kennt 10 Untugenden bzw. Grundtugenden.
  • Die Bhagavad Gita, eine zentrale Schrift des Hinduismus, führt eine ganze Liste von positiven seelischen Eigenschaften auf.

Die anderen Religionen kennen ähnliche Systeme.

Die Goldene Regel

In ihrer Essenz lassen sich die Verhaltensmaximen der verschiedenen Religionen in der Goldenen Regel auf den Punkt bringen:

„Was Du nicht willst was man Dir antut, das tu auch keinem anderen an.“

In der Konsequenz heisst das, die Mitwesen nicht zu schädigen oder zu verletzen, weder mit Worten noch mit Taten. Positiv ausgedrückt bedeutet das, seinen Mitwesen wo immer möglich zu helfen. Diese Maximen liegen auch der » Erklärung zum Weltethos zugrunde, die Anspruch auf universelle Gültigkeit erhebt.

Aus der Goldenen Regel lassen sich konkret die folgenden Grundregeln ableiten:

  • Nicht töten
  • Andere nicht verletzen, weder mit Worten noch mit Taten
  • Ehrlich sein, nicht lügen
  • Nicht stehlen
  • Kein sexuelles Fehlverhalten

Ergänzt werden diese Regeln in den Abrahamitischen Religionen noch um das zentrale Gebot, den einen Gott zu ehren.

Werte, Regeln und Verhaltensmaximen in den Religionen

Das Studium der nachfolgend dargestellten persönliche Eigenschaften, Werte, Regeln und Gebote fördert auffallende Ähnlichkeiten zwischen den einzelnen Religionen zutage (historische Reihenfolge der Religionen):

Verhaltensmaximen im Hinduismus

Grundlage

Der Hinduismus ist ein Konglomerat aus verschiedenen Traditionen mit recht unterschiedlichen Ansichten. Gemeinsamer Nenner sind die heiligen Schriften (Veden): Samhitas, Brahmanas, Aranyakas, Upanishaden; Smriti: Ramayana, Mahabharata, Bhagavad Gita und Puranas, wobei die Bhagavad Gita die wohl grösste Verbreitung und Popularität geniesst.

Der Hinduismus kennt keine gemeinsamen Gebote oder Regeln. Allen Schulen gemeinsam ist lediglich die Lehre von Wiedergeburt und Karma, die auf das individuelle Verhalten in einer selbstverantwortlich regulierenden Weise wirkt. In den einzelnen Kasten und Schulen bestehen spezifische Regelungen.

Positive und negative seelische Eigenschaften in der Bhagavad Gita

In der Bhagavad Gita findet sich ein ganzer Katalog von „seelischen Eigenschaften, die den Menschen gottähnlich machen“:

„Furchtlosigkeit, Reinheit des Herzens, Standhaftigkeit beim Erwerb von Weisheit und im Üben des Yoga, Nächstenliebe, Herrschaft über die Sinne, Zelebrieren heiliger Riten, Studium der heiligen Schriften, Selbstbeherrschung, Aufrichtigkeit; Nicht-Verletzen, Wahrhaftigkeit, Freisein von Zorn, Entsagung, Friedfertigkeit, Nicht-Verleumden, Mitgefühl mit allen Lebewesen, Überwindung von Gier, Sanftmut, Sittsamkeit, Sieg über die Ruhelosigkeit; Charakterfestigkeit, Versöhnlichkeit, Geduld, Reinlichkeit, Freisein von Hass, Überwindung von Eitelkeit – diese Eigenschaften sind der Schatz eines göttlich gesinnten Menschen, o Nachkomme des Bharata.“ 

Bhagavad Gita, Kapitel XVI „Das Göttliche erfassen und das Dämonische meiden“, Verse 1 – 3

Im folgenden werden „das Wesen und das Schicksal von Seelen [dargestellt], die das Göttliche meiden“:

„Eitler Stolz, Arroganz, Hochmut, Zorn, Hartherzigkeit und Unwissenheit kennzeichnen den Menschen, der von Geburt an ein dämonisches Wesen hat, o Sohn der Pritha (Arjuna). Göttliche Eigenschaften verleihen Freiheit; dämonische führen in die Knechtschaft. (…) Die dämonischen Menschen wissen nicht, was rechtes Handeln ist, noch wissen sie, wann sie nicht handeln sollen. Sie kennen weder Reinheit noch Wahrheit noch gutes Betragen. Sie sagen: ‚Die Welt kennt kein sittliches Fundament, keine ewige Wahrheit, keinen Herrn oder Gott. Sie ist durch keine systematische, ursächliche Ordnung entstanden; ihr einziger Zweck ist die Befriedigung der Lust – was sonst?‘ Solch verworfene Menschen mit unklarem Verstand halten an ihrem Irrglauben fest und begehen viele Grausamkeiten. (…) Unersättlich sind ihre Begierden, sie heucheln, sind geltungsbedürftig und überheblich; da sie der Täuschung verfallen sind, hegen sie nur böse Gedanken und verfolgen mit all ihrem Handeln unredliche Ziele. (…) An zahllose selbstsüchtige Erwartungen und Wünsche gekettet, von Zorn und Leidenschaft versklavt, trachten sie nur nach körperlichen Freuden und versuchen, auf unehrliche Weise zu Reichtum zu kommen.“ 

Bhagavad Gita, Kapitel XVI „Das Göttliche erfassen und das Dämonische meiden“, Verse 4ff

Stufen des Raja Yoga

Als praktisches Beispiel der Umsetzung mögen die Regeln der ersten beiden Stufen des Raja Yoga, eines der vier zentralen Pfade des Hinduismus, dienen:

Yama

Yama (Enthaltung, Selbstkontrolle) ist die erste Stufe des Raja Yoga (bzw. Ashtanga Yoga oder Kriya Yoga) nach Patanjali und stellt eine Art Verhaltenskodex dar. Es werden insgesamt fünf Yamas beschrieben:

  1. Ahimsa: Nicht-Gewalt, Freundlichkeit, Zugewandtheit und Rücksichtnahme – einen wohlüberlegten Umgang mit allen Lebewesen und mit sich selbst.
  2. Satya: Wahrhaftigkeit, Wahrheit in Worten, Taten und Gedanken, auch sich selbst gegenüber.
  3. Asteya: Nichts nehmen (stehlen), was einem nicht gehört.
  4. Brahmacharya: Bewegung auf das Wesentliche hin, sich nicht in sinnlichen Erfahrungen verlieren.
  5. Aparigraha: Nicht-Zugreifen, d.h. nur das anzunehmen, was angemessen ist und keine anderen Menschen auszunutzen.

Niyama

Niyama (Verhaltensregel, Einschränkung) ist die zweite Stufe des Raja Yoga (bzw. Ashtanga Yoga oder Kriya Yoga) nach Patanjali und stellt eine Art Verhaltenskodex dar. Es werden insgesamt fünf Niyamas beschrieben:

  1. Shauca: Innere und äussere Sauberkeit und Reinheit.
  2. Samtosha: Genügsamkeit, Bescheidenheit, Zufriedenheit.
  3. Tapas: Den Körper gesund und fit halten durch Yoga, Achtsamkeit beim Essen und bewusstes Atmen.
  4. Svadhyaya: Selbstreflexion, das eigene Denken und Handeln beobachten und kritisch hinterfragen. Studium der alten Texte.
  5. Ishvarapranidhana: Hinwendung zu Gott bzw. Gottvertrauen.

Verhaltensmaximen im Buddhismus

Die zehn Grundgebote

Die Grundgebote des Mahayana Buddhismus tibetischer Prägung sind die folgenden:

  • Körperebene: Nicht töten, nicht stehlen, kein sexuelles Fehlverhalten.
  • Sprache (emotionale Ebene): Nicht lügen, keine Zwietracht säen, keine verletzende Worte, keine sinnlose Rede.
  • Geist (mentale Ebene): Keine Habgier, kein Übelwollen, keine verkehrten Ansichten.

Die sechs Grundtugenden

Als wesentliche positive Verhaltensmaximen bzw. Grundtugenden können die Sechs Paramitas (Perfections) angesehen werden:

  • Grosszügigkeit
  • Tugend/Ethik
  • Geduld
  • Ausdauer
  • Meditation/Konzentration
  • Weisheit

Verhaltensmaximen im Judentum – die 613 Mitzwot (Gebote)

Im 16. Jahrhundert verfasste der Rabbiner Josef Karo auf der Basis von Thora (inkl. der zugehörigen Auslegungsschriften Midraschim) und Talmud eine Zusammenfassung religiöser Vorschriften (Halacha), wo alle für den Alltagsgebrauch benötigten Gebote und Verbote ausreichend detailliert beschrieben enthalten sind. Das Werk wurde „Schulchan Arucheine“ („gedeckter Tisch“) genannt und im Folgenden von mehreren Rabbinergenerationen überarbeitet. Das Judentum kennt demnach insgesamt 613 Mitzwot, die sich in 248 Gebote und 365 Verbote aufteilen, die von jedem Juden zu beachten sind. In diesen Geboten sind auch die aus dem Alten Testament bekannten 10 Gebote enthalten.

Verhaltensmaximen im Christentum

Die zehn Gebote des Alten Testaments

Die 10 Gebote haben sich im Laufe der Zeit verändert. Gemäss dem aktuellen Katechismus der Katholischen Kirche lauten die 10 Gebote wie folgt:

  1. Du sollst an einen Gott glauben.
  2. Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren.
  3. Du sollst den Tag des Herrn heiligen.
  4. Du sollst Vater und Mutter ehren, damit du lange lebest und es dir wohl ergehe.
  5. Du sollst nicht töten.
  6. Du sollst nicht Unkeuschheit treiben.
  7. Du sollst nicht stehlen.
  8. Du sollst kein falsches Zeugnis geben.
  9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau.
  10. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Gut.

Die Formulierung sowie die Reihenfolge der 10 Gebote hat sich im Laufe der Zeit bzw. im Rahmen der verschiedenen Traditionen leicht verändert. So lautete z.B. das 2. Gebot gemäss Lutherbibel (Standardausgabe 1984) in 2. Mose 20:1-17 wie folgt:

„Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.“

Im Evangelischen Katechismus von 1962 lautete das 2. Gebot wie folgt:

„Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis von Gott machen, um ihn damit zu verehren.“

Im Katholischen Katechismus wurde das ursprüngliche 2. Gebot gestrichen bzw. ersetzt (siehe oben).

Neues Testament: Vom Gebot zur Tugend

Wie im Neuen Testament, u.a. in der Bergpredigt beschrieben, lebt Jesus die Tugenden der Gerechtigkeit, Friedfertigkeit, Barmherzigkeit, Sanftheit und der Reinheit des Herzens vor, wobei die letzte dieser Tugenden die Basis aller anderen bildet.

Im „Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Ephesus“ fasst Paulus die christliche Morallehre zusammen: 

„Ihr dürft nicht mehr wie die Menschen leben, die Gott nicht kennen und deshalb von ihrem verkehrten Denken in die Irre geführt werden. Ihr Verstand ist verdunkelt und sie haben keinen Zugang mehr zum wahren Leben, zu Gott. Das kommt von ihrer Unwissenheit und ihrem verhärteten Herzen. Aus ihrer inneren Leere heraus überlassen sie sich dem Laster: Sie treiben jede Art von Unzucht und sind von unersättlicher Habgier. (…) Legt also eure frühere Lebensweise ab! Ja, legt den ganzen alten Menschen ab, der seinen Begierden folgt! Die betrügen ihn nur und führen ihn ins Verderben.“ 

Eph 4,17ff

Gottesferne, innere Leere, verkehrtes Denken (‚verdunkelter‘ Verstand), Habgier, Zorn, Unzucht und Ausschweifungen werden als gottesfernes Verhalten in geistiger Finsternis verurteilt.

Diesen negativen Werten gegenübergestellt werden: Gottesbezogenheit bzw. Gottesfürchtigkeit, Liebe, Güte, Rechtschaffenheit, Treue, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Grosszügigkeit und Vergebung.

„…jetzt seid ihr Licht, weil ihr mit dem Herrn verbunden seid. Lebt nun auch als Menschen des Lichts!“

Eph 5,8

Verhaltensmaximen im Islam – die Zehn Gebote des Koran

Die Zehn Gebote des Islam finden sich in den Versen 22 – 39 von Sure 17 des Korans.

  1. Setze Allah keinen anderen Gott zur Seite
  2. Und dein Herr hat bestimmt, … dass man die Eltern gut behandeln soll.
  3. Lass deinem Verwandten sein Recht zukommen, ebenso dem Bedürftigen und dem Reisenden; aber handle nicht verschwenderisch.
  4. Tötet nicht eure Kinder aus Furcht vor Verarmung …
  5. Nähert euch nicht der Unzucht. (andere Übersetzung: dem Ehebruch)
  6. Tötet nicht den Menschen, den Gott für unantastbar erklärt hat, es sei denn bei vorliegender Berechtigung.
  7. Nähert euch nicht dem Besitz des Waisenkindes, es sei denn zu seinem Besten, bis es seine Vollkraft erreicht hat.
  8. Erfüllt eingegangene Verträge … und gebt volles Mass, wenn ihr messt.
  9. Verfolge nicht das, wovon du kein Wissen hast …
  10. Wandle nicht hochmütig auf Erden umher.